< PreviousALLGÄU GmbH Gesellschaft für Standort und Tourismus www.standort.allgaeu.de Allgäuer Straße 1 87435 Kempten T: +49 (831) 575 37 30 Wohn-Kultur | Allgäu GmbH Ansitz Hohenegg / Foto: Philip Herzhoff71 Alter Hof sucht neue Liebe Viele ehemalige Hofstellen stehen im Allgäu leer. Wir zeigen drei Hofgeschichten, die inspirieren! Das Allgäu ist führend als zukunftsorientierter und leistungsstarker Gestaltungsraum für individuelles Leben, Arbeiten und Urlauben im ländlichen Raum. Doch dieser idyllische und lebenswerte Raum steht vor Herausforderungen. Das Allgäu wächst und damit auch die Anforderungen an Wohnraum, der für die dringend benötigten Fachkräfte gestaltet werden muss. Die Haushalte werden kleiner und deren Anzahl erhöht sich weiter. Die Ansprüche an Wohnraum ändern sich. Globale, aber auch regionale Wohntrends wie gesundes Wohnen, Neo-Ökologie, Konnektivität, Mobilität, Individualisierung, Sicher- heit und der demografische Wandel stehen dabei im Fokus und erfordern ein Umdenken. Neue Konzepte sind nun gefragt. Wie z.B. „Sharing – Ansätze“, die Co-Living, eine gemeinsam genutzte Infrastruktur und Co-Working-Formate beinhalten. Auch die Nutzung von Leerständen und ergänzende Bebauung spielen eine immer größere Rolle. Ein weiterer Trend zeichnet sich im Mikrowohnen und flexiblen Wohnformen wie z.B. Tiny- oder Boarding- Häusern ab. Laut einer Wohnbedarfsprognose für das Allgäu von 2019 werden im Jahr 2030 26 % der Menschen über 65 Jahre alt sein und alle anderen Altersgrup- pen tendenziell eher abnehmen. Das bedeutet, die Anzahl von kleineren und Single-Haushalten wird weiter zunehmen und globale Trends, wie im Vorfeld beschrieben, setzen sich ebenfalls durch. Bereits heute entstehen Engpässe und Lücken zwischen Nachfrage und Angebot. Es sind neue Raum- und Wohnkonzepte gefragt. Wertvolle Potenziale bilden im Allgäu leerstehende Hofstellen.72 Die Allgäu GmbH und wir von LUST AUF GUT haben uns auf die Suche gemacht und stellen euch gelungene Althofgeschich- ten von drei jungen Paaren vor, die ganz wunderbare Ideen in die Umsetzung gebracht haben. Mut, Inspiration und das Quänt- chen Verrücktheit gehören dazu, um Träume wahr werden zu lassen und um die Zukunft aktiv mitzugestalten. Lassen Sie sich inspirieren! Die Allgäu GmbH startet 2021 das Projekt „Alter Hof sucht neue Liebe". Ziel ist es, Eigentümer*innen von leer stehenden Allgäuer Althofstellen unkompliziert und niederschwellig zu informieren und zu motivieren. Denn Althöfe sind eine wichtige Ressource für Wohnraum. Gefördert durch das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft, Landes- entwicklung und Energie. Romantik- baustelle Isabell & Johann Sebastian Instagram: @_isabella.straciatella_ Wohn-Kultur | Allgäu GmbH Foto: Francine Boer73 Von der Romantik- baustelle zum Für-immer-Zuhause Wir sind auf dem Weg zu Isabell und Johann Sebastian zu ihrer „Romantikbaustelle“. So richtig können wir uns unter einer „romantischen“ Baustelle zwar noch nichts vorstellen, die Anfahrt ist aber schon vielversprechend. Wir verlassen die Straßen Kemptens in nordwestliche Richtung, gewinnen schnell an Höhe und tauchen ein ins grüne Allgäu. Das Navi leitet uns weg, auf immer kleinere Straßen, bis wir über einen unbefestigten Schotterweg unser Ziel erreichen. Und da steht er, der Hof. Es weht ein kräftiger Wind, gigantische Wolkenbilder schmücken den Himmel. Die Aussicht auf die Allgäuer Berge und auf Kempten ist der Wahnsinn. Uns über- kommt ein Gefühl von Freiheit, von Aufbruch. Ja, es ist fast ein wenig mystisch. Das geschäftige Werkeln der Handwerker holt uns zurück ins Hier und Jetzt und wir treffen auf Isabell und Johann Sebastian, die uns herzlich an ihrem zukünftigen Zuhause begrüßen. Nun wollen wir aber endlich wissen, was die beiden antreibt, wie sie an diesen Ort gekommen sind und was sie vorhaben. Das Bauherren-Paar hat dreieinhalbjährige Zwillingsjungs und in Kempten bezahl- baren, ausreichend großen Wohnraum zu finden, ist für die junge Familie nicht ein- fach. Isabell und Johann Sebastian drängt es raus aus der Stadt, zurück aufs Land, hier sind beide aufgewachsen. Das wünschen sie sich auch für ihre Söhne. Der Hof ,auf dem wir stehen, ist schon lange in familiärer Hand. Er bestand aus dem alten Bauernhaus und aus einem Teil Wirtschaftsgebäude und Stadel. Nach der Realteilung der beiden Bereiche ist das Paar nun stolzer Besitzer der anderen Fläche. Der Wirtschaftsteil ist schon in die Jahre gekommen, sodass ein Um- und Ausbau nicht möglich ist. Es bleibt nur noch Abreißen und Neubauen. Den Abriss nehmen sie zum größten Teil selbst in die Hand und wachsen so mit ihrer „Baustelle“ fest zusammen. Jeden freien Moment verbringt die Familie nun hier oben. Freunde kommen zu Besuch und zum Helfen und die Baustelle wird zum Wochenendtreffpunkt. So hält nun auch die Romantik Einzug. Nach getaner Arbeit gemütlich beisammensitzen, den Sonnenuntergang und die herrlichen Farben der Natur genießen. Doch natürlich gibt es beim Hausbau auch weniger romantische Momente. Es beginnt bei der Finanzierung: Was ist aus eigener Kraft möglich, wie können Banken unterstützen, welche Förderungen gibt es vom Land? Die Planung: Das optische Erscheinungsbild des neuen Teils muss an den alten und an die Umgebung angepasst werden. Man muss sich am Bestand orientieren, ein Löschteich muss aus Brandschutzgründen angelegt werden, es gibt Regelungen für den Außenbereich, Ausgleichsflächen müssen her. Bei der Ausgrabung für den Keller wird festgestellt, dass der Boden nicht tragfähig ist. Der Boden muss mit 650 Tonnen recyceltem Kies-Schotter Gemisch ausgetauscht werden. Das Positive: Der Rohbau steht inner- halb von sechs Wochen. Jetzt soll das Dach drauf. Doch dann: Baustopp. Die Bau- kontrolle macht die Baustelle dicht. Der neue Teil ist minimal höher als der Bestand. Jetzt heißt es nachhaken, klären, Gespräche mit dem Bauamt führen, dranbleiben, durchhalten. Und auf der Baustelle: Nichts. Der Kran ist weg, es regnet rein. Nach drei Monaten dann durchatmen. Alles ist geregelt. Es kann weitergehen. Also Baustelle neu einrichten, Kran wieder hin und Dach endlich drauf. Doch die Freude überwiegt. Es geht weiter. Tolle Neuigkeiten: Der Hof kann sich zukünftig autark mit eigener Erdwärme versorgen. Das Paar hebt dazu 800m² ihres Landes aus für Flächenkollektoren und kann sich zukünftig über angenehme Wärme über die Fußbodenheizung im Haus freuen. Parallel gehen sie auf die Suche nach Mietern, die zu ihnen mit auf den Hof ziehen möchten. „Wir brauchen für uns nicht so viel Platz. Da können wir doch welchen abgeben“, sagt Isabell. So ist neben ihrem tollen Bereich eine weitere Wohnung entstanden, die Platz für eine vierköpfige Familie bietet. Und die haben sie auch schon gefunden. Und wie es der Zufall will, zieht ein Paar, das ebenfalls Zwillingsjungs im gleichen Alter hat, ein. Das versprechen tolle und aufregende gemeinsame Jahre zu werden. Isabell und Johann Sebastian stehen nun kurz vor dem Einzug in ihr „Für-immer- Zuhause“. Und wir können nur den Hut ziehen und ihnen von Herzen alles Gute wünschen. Sie haben Raum geschaffen. Raum für sich, Raum für eine weitere Familie. Und sie werden ihn nutzen.74 Der Fluckenhof Kathi & Felix Instagram: @der_fluckenhof Wohn-Kultur | Allgäu GmbH75 Heute haben wir Heimspiel. Von uns aus gesehen auf der Rückseite der Kugel, die mit 1.065,60 m höchste Erhebung des Westallgäus, liegt der Fluckenhof. Ehemals Anlaufstelle für Gesellige und Schneesportbegeisterte. Denn am Flucken haben viele Westallgäuer das Ski- und Snowboardfahren gelernt. Davon zeugen heute nur noch Reste des Skilifts, die in den nächsten Tagen noch abgebaut werden. Wir sind mit Kathi und Felix verabredet, die seit ca. einem Jahr die stolzen neuen Besitzer des Hofes sind. Kaum sind wir aus dem Auto gestiegen, fühlen wir uns gleich wohl. Etwas Geselliges hat er irgendwie immer noch, der Hof. Auch wenn heute alles ruhig ist, können wir uns das frühere bunte Treiben nur zu gut vor- stellen. Was geblieben ist, ist die Pizzeria, die Maierhöfens Bewohner und Gäste mit schmackigen italienischen Genüssen versorgt. Der aktuellen Zeit geschuldet im Moment nur zur Abholung. Leise Musik klingt aus der Küche, ein Hauch von Kräutern weht zu uns herüber. Dann begrüßt uns Kathi und heißt uns herzlich willkommen. Felix kommt dazu, von oben bis unten voll mit Staub und Spänen. Hier ist wohl einer fleißig am Werkeln. Er begrüßt uns und entschuldigt sich kurz, um sich umzuziehen. Wir nutzen die Zeit, und lassen uns von Kathi ihr Reich zeigen. Jetzt wissen wir auch, woran Felix arbeitet. In einer Wohnung, die zu einer Gästewohnung umgebaut werden soll, mauert Felix eine Küche. Die beiden wollen alles, was geht, aus eigener Kraft mei- stern. Dazu gehören auch das Verputzen von Wänden, das Verlegen neuer Fußbö- den und Installationen für neue Badezimmer. Das Innenleben des Hofs schlummert noch ein wenig im Neunzigerjahre-Chic – Kathi und Felix wollen eher den ganz ursprünglichen Stil wiederherstellen. Viel Holz und weitere Naturmaterialen sollen dabei helfen. „Was sollen wir lassen und was neu machen? Hier die richtige Balance zu finden, ist immer wieder eine Herausforderung“, berichtet uns Kathi. Die Größe des Hofes ist beeindruckend. Wir folgen Kathi in den Teil, den sie im Moment bewohnen. Es sind die ehemaligen Räumlichkeiten der Skischule. Die beiden arbeiten unter der Woche in München und kommen jedes Wochen- ende ins Allgäu, um ihren Traum vom Hof voranzutreiben. Jetzt gesellt sich auch Felix wieder zu uns. Umgezogen und nicht weniger strahlend als Kathi. In der Küche, die trotz „Übergangslösungen“ irgendwie gemütlich ist, wollen wir nun die ganze Geschichte hören. Wie sind die beiden an den Fluckenhof gekommen und was haben sie vor? Kathi kommt aus Oberbayern, nahe dem Schlier- und Tegernsee. Felix ist aus Isny und hat sogar früher am Flucken als Snowboard-Lehrer gearbeitet. Dass es ihn mal wieder an diesen Ort verschlägt, hätte er sich auch nicht träumen lassen. Der gemeinsame Wunsch des eigenen Hofes lässt die beiden auf die Suche gehen. Erst in Kathis Heimat, was sich jedoch als schwierig und kaum finanzierbar herausstellt. Dann entdecken sie die Anzeige vom Fluckenhof bei Maierhöfen und sind begeistert. Doch ganz so schnell geht es dann doch nicht. Bis zur Unterschrift unter den Kauf- vertrag vergeht ein Jahr. Die Finanzierung muss aufgestellt werden, die ursprüngli- chen Eigentumsverhältnisse müssen geklärt – wem gehört welcher Teil an Land und an Gebäuden – und die Nutzungsänderung beantragt werden. Ein scheinbar end- loser Briefverkehr mit Gemeinde und dem Land raubt Zeit und Nerven. Unzählige Regelungen im bayerischen Baurecht und diverse Freigabeschleifen, die notwendig sind, verlangen Zeit und Geduld. „Die Gemeinde Maierhöfen war immer hilfsbereit und ein persönliches Gespräch mit dem Landratsamt Lindau war für uns, nach dem scheinbar endlosen Briefverkehr, sehr wertvoll. Manches lässt sich einfach nicht am Telefon oder schriftlich regeln“, erklärt uns Felix. „Wir haben Kontakt zu Menschen gesucht, die ein ähnliches Projekt umgesetzt haben. Das hat sehr geholfen und wir haben ganz wunderbare Tipps bekommen. Ein Freund in meiner Heimat Ober- bayern, der auch einen Hof umgebaut hat, sagte zu mir: Kathi, denk nicht so viel nach. Ein gesundes Maß an Naivität ist wirklich gut“, lacht sie. „Und Mut. Mut zahlt sich aus, einfach machen und sich trauen. Wer mutig ist, wird am Ende gewinnen“, ergänzt Felix. So ist schließlich auch die Nutzungsänderung irgendwann durch. Die beiden planen zukünftig – neben gemütlichem Wohnraum – Raum zum Arbeiten, Ideen finden, kreativ sein und Entspannen zu schaffen. „Workation“ nennt man das heute. „Was gibt es Schöneres als nach der Arbeit noch raus in die Natur zu gehen“, sagt Kathi und wir können ihr nur zustimmen. Menschen, die flexibel arbeiten können, die viel- leicht eine bestimmte Zeit für ein Projekt im Einsatz sind, sollen zukünftig ihre Gäs- te sein. Zwei Wohnungen, ein großer Bürogemeinschaftsraum, der zum Arbeiten unter wunderschönen alten Holzbalken einlädt, und weitere heimelige Schlafplätze sollen dann bereitstehen. Gemütlich soll es werden, bodenständig und gesellig – ein Ort der Begegnung, an dem man die kleinen Dinge genießt und schätzt, an dem man sich daheim fühlt und gerne wiederkommt. Arbeiten und Wohnen mit „Hütten- Feeling“ und der Natur direkt vor der Türe. „Unser Flucksi“, so nennen die beiden liebevoll ihren Hof, „ist für uns unser bester Freund. Wir wünschen uns, dass er auch für unsere Gäste ein Freund wird. Einer auf Zeit, vielleicht auch einer fürs Leben“, sagt Felix. Wir finden, die beiden sind jetzt schon wundervolle Gastgeber und wir werden sicher das ein oder andere Mal am Wochenende vorbeiradeln und die beiden besuchen. Denn ein bisschen fühlen wir uns auch schon daheim, beim Flucksi. Ein Freund fürs Leben – der Fluckenhof76 D' Kammer Julia & Michael Instagram: @dkammer.rest Zu Hause bei Oma – d´Kammer Endspurt für unsere Spezial-Ausgabe. Thomas ist bereits im Auftrag des Guten unterwegs und so bin ich heute allein auf dem Weg nach Illerbeuren. Das Dorf ist eigentlich mehr ein Ortsteil und gehört zu Kronburg. Auch wenn ich das Allgäu jetzt schon viele Jahre meine Heimat nennen darf, war ich doch noch nie hier. Illerbeuren ist bekannt für sein schwäbisches Bauernhaus-Museum. Da möchte ich unbedingt mal hin, sobald es wieder möglich ist. Doch nicht nur dieses Aus- flugsziel, sondern das ganze Dorf wirkt museumsgleich, irgendwie heimelig, ur- sprünglich und einladend. Ich bin gespannt, was mich heute erwartet. D´Kammer ist nicht zu übersehen. Flankiert von einem wunderschönen modernen Haus, in der ehemals traditionellen dunkelroten Farbe des Allgäus, liegt der alte Hof. Meine Namensvetterin Julia empfängt mich und scheint sich ebenso auf unser Gespräch zu freuen wie ich. Ich erfahre von ihr, dass sie in dem „roten Haus“ mit ihrem Mann Michael und den drei Kindern lebt. Der Hof ist früher zur Viehwirt- schaft genutzt worden. Julias Vater hat immer noch einen Stall voller Hühner und versorgt über den Sommer Pensionskühe auf den weitläufigen Wiesen. D' Kammer ist heute ein Bed & Breakfast und beherbergt die unterschiedlichsten Gäste. Julia erzählt mir, dass es in Illerbeuren eine große Location für Hochzeiten gibt. So war ihr Gedanke zuerst, Gäste verschiedener Hochzeitsgesellschaften aufzunehmen. Mittlerweile begrüßt sie aber über das ganze Jahr hinweg Allgäu- Liebhaber, die zum Radeln, Genießen und Erholen kommen. Foto: Aileen Melucci Fotografie Foto: Uli Müller Photografie Foto: Uli Müller Photografie77 Die Hofbesitzerin führt mich durchs Haus. Was draußen mit der Kombination des neuen roten Hauses und des ursprünglichen Hofes beginnt,setzt sich drinnen fort. Wunderbare alte Einzelstücke, Türen und Fußböden treffen auf moderne Accessoires und Möbel. Jedes der drei Gästezimmer ist individuell eingerichtet. So findet sich in einem ein Regal aus einer alten Leiter. Diese Leiter, so erzählt Julia, ist noch von ihrem Opa. Und sie kann sich an ihn nur mit dieser Leiter unter dem Arm erinnern. Im größten Zimmer, das früher das Zimmer der Hofbesitzer war, steht noch ein alter Bauernschrank. Julias Opa kam aus Niederbayern und zur Hochzeit mit Julias Oma hat seine Verwandt- schaft als Geschenk mit einem Viehkarren diesen Schrank bis ins Allgäu gefahren. Julia schmunzelt und sagt: „Uns gefällt der Schrank, vor allem, da mit ihm eine so schöne Geschichte verbunden ist. Davon abgesehen, ist er so schwer, dass wir ihn wahrscheinlich nie wieder hier rausbekommen.“ Um den Grundriss des Hauses nicht zu verändern, haben die Zimmer kein eigenes Bad. Julia und Michael haben dafür aber eine tolle Lösung gefunden. Neben den zwei einzelnen Toiletten gibt es einen großen Duschraum. Jedes Zimmer hat hier eine eigene großzügige, komplett abgeschlossene Kabine mit Waschbecken und Dusche. Wunderschöne Holztüren verschließen die Nasszellen. Ich erfahre von Julia, dass der Umbau gar nicht so leicht war. Ihre konkreten Vorstellungen fanden bei einigen Handwerkern nicht gerade Zuspruch. Holztüren im Badezimmer, in dem es so gut wie immer feucht ist? Ja. Denn sie sehen nicht nur toll aus, sondern machen ein wunderbares Wohlfühl-Klima. Mittlerweile sind die Türen seit vier Jahren voll in Form. Zurück im Erdgeschoss landen wir in der Gemeinschaftsküche. Die gemütli- chen alten Holzdielen knarzen beim Darüberlaufen. „Davon, die alten Dielen zu erhalten, ist uns ebenfalls abgeraten worden. Zu anfällig, zu pflegeauf- wendig. Aber auch hier haben wir uns durchgesetzt“, lacht die Besitzerin. Die Küche ist auch früher schon die Anlaufstelle der ganzen Familie gewesen. Der Hof ist bereits in fünfter Generation in der Hand von Julias Familie. Bis auf ihren Vater ist der Hof immer an die Frauen der Familie vererbt worden. Das Herz des Hauses ist für Julia ihre Oma Anna gewesen, mit der sie sogar noch gemeinsam hier gelebt hat. Sie war die gute Seele der Familie, warmherzig, offen und klar. So sollen Gäste auch d´Kammer wahrnehmen. „Mein Mann und ich wollten nicht hier im Hof wohnen bleiben. Wir haben uns für unsere Familie etwas anderes vorgestellt und mit dem roten Haus nebenan unseren Traum vom Wohnen erfüllt und sind zeitgleich noch ganz nah am Hof. Das alte Haus zu erhalten und weiter zu beleben, sehe ich als große Verantwor- tung gegenüber meiner Familie.“ Ich möchte wissen, was Julia sich für d´Kammer wünscht. „Das Haus ist mein Anker, mein Ruhepol. Ich wünsche mir Gäste, die wertschätzend mit dem umgehen, was sie hier vorfinden. Menschen, die den regionalen Bezug sehen und annehmen und sehen, dass es mehr zu entdecken gibt, als man auf den ersten Blick sieht.“ Julia und Michael ist es gelungen, das Alte zu bewahren und möglichst wenig zu verändern. In Kombination mit geschmackvollen modernen Elementen ist so ein wunderbarer Ort entstanden, an dem man sich tatsächlich ein bisschen fühlt wie bei Oma zu Hause. Julia hat schon die nächsten Pläne. Aus dem alten Stall möchte sie Ferien- wohnungen machen, um noch mehr Menschen diesen wunderbaren Ort zu- gänglich zu machen. Ich komme gerne wieder. Und eins steht jedenfalls fest: Oma Anna ist auf ihrer Wolke sicher stolz auf Julia. Denn diese ist genauso warmherzig, offen und klar wie Oma. Wir haben drei ganz unter- schiedliche und dennoch ähn- lich inspirierende Paare ken- nenlernen dürfen, die sich ihren Traum vom Hof ermöglicht haben. Alle eint ein großer Wille, ein positiver Fokus, Kre- ativität, Zusammenhalt, Mut und die Liebe zum Allgäu. Sie zeigen, dass es auf verschiede- nen Wegen möglich ist Raum zu schaffen und zu nutzen. Für sich selbst und für andere. Und, dass es sich lohnt Altes zu be- wahren und neu zu denken. Wir von LUST AUF GUT werden ih- ren weiteren Weg auf jeden Fall verfolgen und wenn wir nicht gerade mit unserer Agentur in einen alten Hof gezogen wären, würden wir glatt auch noch mal ran. Ganz nach dem Motto: Alter Hof sucht neue Liebe. Wohn-Kultur | Allgäu GmbH78 Wohn-Kultur | Liebwerk Liebwerk SCHRENEREI | EVENTS | WORKHOPS www.liebwerk.eu Schwedenstraße 45/1 88682 Salem T: +49 (7554) 9541 „Schiebt´s über den Haufen,haben alle gesagt. Das kam für uns aber nicht in Frage“, erinnern sich Julia und Roland Kohler. Rein schon aus emotionalen Gründen – schließlich hatte die Oma hier gewohnt. Aber auch, weil die beiden das Potenzial des alten Gebäudes erkannten. Und weil sie einfach Bock hatten, etwas daraus zu machen. Mit sicherem Blick für stimmige Details verwandelten sie das alte Bauernhaus in ein modernes Eigenheim. Hier wird jedoch nicht nur gewohnt: Der Liebhof dient als Showroom für ihre Schreinerei Liebwerk. Hier zeigen sie, was mit ein bisschen Mut möglich ist. „Lieber stellen wir uns kein Möbel ins Haus,als irgendeins “ , sagt das Paar. Und ihren Kunden übrigens auch nicht. Wer ausgefallene und persönliche Möbel und Einbauten sucht und wertschätzt, ist bei Liebwerk genau richtig. 79 Fotos: Jens Pfisterer Der Liebhof: Wohnen ohne KompromisseNext >