< Previous08 Dreh- und Angelpunkt der Handwerker- familien sind die Werkstätten, die Back- stuben, die Wurstküchen. Sie sind die Bühnen des Lebens. Die Sprache ist Mundart. Die Handelnden sind die Familienmitglieder, die Angestellten und Menschen aus dem unmittelbaren Umfeld der Betriebe. Gespielt werden Tragödien und Komödien. Die Generationen, die heute die Betriebe führen, sind in dieser Welt groß geworden und haben die Verant- wortung für ihren Betrieb übernommen. Und nun steht die nachfolgende Generation bereit. Als die Fotos entstanden sind, fühlten sich Eltern und Groß- eltern an frühere Fotos erinnert, auf denen sie an gleicher Stelle und in gleicher Haltung abgelichtet wurden. Dies war meine Intention als Fotografin. Die Familien dort zu fotografieren, wo sie arbeiten. Auf der Bühne ihres Lebens. Bei der ersten Auseinandersetzung mit dem Thema versuchte ich mir vorzustellen, wie verschiedene Generationen auf so engem Raum in einer guten Art und Weise zusammen leben und arbeiten können. Ich war zugegebenermaßen sehr skeptisch, dass dies möglich ist. Alle acht Betriebe haben mich jedoch eines Besseren belehrt. Das Zusammenleben ist von gegenseitigem Respekt und Anerkennung geprägt. Die enge Verbundenheit war in jedem Augenblick zu spüren. Und der Stolz auf die eigene Arbeit und auf die Familie. Was allen Beteiligten gemeinsam ist und offenbar den Handwerksbetrieben im Blut liegt, ist die unglaubliche Leidenschaft zum Beruf, zum Material, zum Handwerk. Ob Oldtimer, Schmuck, Metall, Holz, Frisuren, Brot, Wurst oder Schuhe, egal um welches Handwerk es sich handelte. Von allen Generationen wurde mir mit leuchtenden Augen über den Betrieb und den Beruf berichtet. Es be- darf keiner seherischen Fähigkeiten, um bei manchem Enkelkind schon heute die neue Handwerkergeneration zu erkennen. Der Erfolg basiert auf dem Zusammenhalt und dem gegenseitigen Respekt. Alle acht Betriebe sind VorBILDER. Bei keinem der acht Betriebe wurde in irgendeiner Form Druck auf die nächste Generation ausgeübt. Häufig versuchten die Eltern, die Kinder auch auf andere Möglichkeiten hinzuweisen. In früheren Zeiten wurde erwartet, in die Fußstapfen der Eltern zu treten. Die Möglichkeiten, etwas anderes zu tun, waren damals auch sehr begrenzt. Heutzutage ist dagegen fast alles möglich. Studium und Beruf, Großstadt oder Land, Single oder Familie. Die Auswahl ist groß. Und dennoch entscheiden sich viele, in den Betrieb der Eltern einzusteigen und diesen später auch zu übernehmen. Manche wissen von Anfang an, dass sie das wollen, bei anderen braucht es einen Umweg, andere Erfahrungen. Beide Wege sind richtig. Hier gibt es kein Besser oder Schlechter. Be- quemlichkeit kann dabei nicht das Entscheidungsmotiv sein. Denn wer einen Handwerksbetrieb führt, hat keine 40-Stunden-Woche und keinen freien Samstag. Warum dann einen Handwerksberuf erlernen? Einen Betrieb führen? Die Antwort ist einfach: Es die Liebe zum Beruf. Wer gerne und mit Leidenschaft seiner Tätigkeit nachgeht, zählt keine Stunden. In den Texten zu den Fotos beschreibe ich vor allem diejenige Generation, die den Betrieb zuletzt übernommen hat bzw. in Kürze übernehmen wird. Ich wollte wissen, warum sich junge Menschen entscheiden, im elterlichen Betrieb zu arbeiten und diesen zu übernehmen. Die Antworten habe ich auf eindrucksvolle Weise bei den Gesprächen rund um die Shootings erhalten. Sabine Rukatukl09 Handwerks-Kultur | Sabine Rukatukl Sabine Rukatukl, Fotografin Sabine Rukatukl www.fotografie-rukatukl.de T: +49 (170) 40 11 55 210 Stefan Winterer ist Zimmermann und arbeitet in der Schreinerei. Er hat den riesigen Kronleuchter für das Schauspiel „Ödipus” hergestellt. Foto: Maurice Korbel11 Theater Freiburg www.theater.freiburg.de Bertoldstraße 46, 79098 Freiburg T: +49 (761) 201 28 53 Ein massiver Holztisch, der unter einem einzigen Faustschlag zusam- menbricht, eine bronzene Statue, die bei geringster Berührung umkippt oder eine steinerne Brücke, die von einem Menschen angehoben werden kann: Wo gibt es denn so was? Jeder, der schon einmal an einer Führung hinter den Kulissen des Theaters Freiburg teilgenommen hat, weiß: Es sind die Handwerker, die das scheinbar Unmögliche vollbringen und die wundersamen Verwand- lungen auf der Bühne erst möglich machen. Sie bauen für Julia den Balkon, den Romeo erklimmt, sie verwandeln eine junge Sängerin in die Königin der Nacht und sie erwecken den Drachen Mahlzahn aus Jim Knopf zum Leben. Zahlreiche Handwerker arbeiten im Theater an der Realisierung der Kostüm- und Bühnenbildfantasien der Künstler: Schreiner, Schlosser, Kostüm- und Maskenbildner, Dekorateure und Requisiteure. Viele Gewerke wie den Rüstmeister, den Theaterplastiker und den Büh- nenmaler findet man bis heute nur im Theater. Sie bewahren und pflegen ein technisches Wissen, das ohne sie verloren gehen würde und das nur ein Ziel kennt: die Herstellung der perfekten Illusion. Handwerks-Kultur | Theater Freiburg12 Franziska Natterer, Requisiteurin im Fundus. Foto: Maurice Korbel13 Handwerks-Kultur | Theater Freiburg Andras Kemmerzehl, Auszubildender im Malsaal, fertigt gemeinsam mit Nicole Nedoh eine Transparentmalerei für die Oper „Der Liebestrank” an. Foto: Maurice Korbel14 Raphael Weber ist Rüstmeister und als solcher auch zuständig für die Pyrotechnik. Hier steht er hinter dem brennenden Dornbusch aus der „Königin von Saba”. Foto: Maurice Korbel15 Handwerks-Kultur | Theater Freiburg Pythagoras Koutalidis ist Auszubildender in der Schlosserei. Im Hintergrund Markus Zaminer, Theaterschlosser. Foto: Maurice Korbel16 Sabine Vatter, Gewandmeisterin, mit Sarah Mittenbühler (links hinten), der Kostüm- bildnerin des Musicals „Sweeney Todd”, bei der Anprobe von Shinsuke Nishioka. Foto: Maurice Korbel17 Handwerks-Kultur | Theater Freiburg Die Maskenbildnerin Silke Dreher mit dem Tenor Gabriel Urrutia bei einer Anprobe für „Sweeney Todd”. Im Hintergrund Michael Shaw, Leiter der Maske. Foto: Maurice KorbelNext >