< Previouswww.druckerei-holzer.de Holzer Druck und Medien, Druckerei und Zeitungsverlag GmbH + CO. KG Fridolin-Holzer-Str. 22+24, 88171 Weiler im Allgäu WIR BEDRUCKEN KEIN PAPIER. WIR BRINGEN EURE GESCHICHTEN IN DIE WELT.29 (en) Genuss REPUBLIC OF CULTURE Special | Rund ums Essen, Trinken und Genießen Das Hintergrund-Magazin für Allgäu, Bodensee und Oberschwaben Gastronomie, Handwerk, Küche, Design, Handel, Qualität, Genuss Republic of Culture, www.lust-auf-gut.de Illustration: Till HammGenuss-Kultur | Meckatzer Löwenbräu Fotos: Marco Mehl31 Um Werte schaffen zu können, musst du zuerst Werte schätzen können … „In Zeiten allgemeiner Unsicherheiten finden wir keine Sicherheit in ängst- lichem Abwarten oder spekulativen Experimenten. Nur die Besinnung auf Werte, die sich als zeitlos gültig erwiesen haben, geben uns Sicherheit. Das sind menschliche Werte: Die Treue zu sich selbst, das Bekenntnis zur eigenen Überzeugung und der Dienst an der Gemeinschaft. Wir vertrauen in unsere Zukunft, weil wir zu unserer Herkunft aus dem Allgäu, zu den Werten unserer Heimat und zu unserer Verpflichtung gegenüber unseren Mitmenschen stehen. Wir glauben an die Zukunft einer Gemeinschaft von Menschen, die ihre Probleme partnerschaftlich miteinander löst. Für diese Werte sind wir auch bereit zu kämpfen und schreiten so mit festem Schritt voran.“ Das war einmal das Vorwort der Meckatzer Unternehmensbroschüre von 2005 und so lautet nach wie vor das Credo von Michael Weiß. Wir möchten Sie einladen. Einladen auf eine Reise durch die Geschichte der Brauerfamilie Weiß, die im Allgäu ihre Heimat und Wurzeln hat und die es doch auch immer schon in die Ferne gezogen hat. Eine Kombination aus Bodenständigkeit und Weltoffenheit. Es geht dabei um Familienmitglie- der, die zu jeder Zeit Verantwortung übernahmen, Durchhaltevermögen, Beharrlichkeit zeigten und vor allem unternehmerische Weitsicht besaßen. Sind solche Eigenschaften das kulturelle Erbe, werden sie sorgfältig von Generation zu Generation überliefert. Entstehen in solchen Familienun- ternehmen eine Art „überlieferter“ Wertekodex und Führungsstil? Die Frage, die sich dann noch stellt: Ist dieser Stil „gemacht oder geworden“? Tatsache ist, dass es in solchen Unternehmen so etwas wie einen inne- ren Kompass gibt, der dem Menschen, der gerade an der Spitze steht, den richtigen Kurs vorgibt, ihn ein Gespür dafür entwickeln lässt, was es gerade braucht, um die Tradition mit den Herausforderungen des Neuen in Einklang zu bringen. Mutig voranzugehen und zuzupacken ist seit der Zeit der Urgroßmutter Lena Weiss eine Verpflichtung für all ihre Nachfolger. Tradition zu bewahren, ohne die Zukunft aus den Augen zu verlieren. Michael Weiß, Geschäftsführer Meckatzer Löwenbräu32 Wenn man sich mit Michael Weiß unterhält, merkt man schnell, dass es ihm um mehr geht, als gutes Bier zu brauen. Er schaut aus einer Art Metaperspek- tive auf das Allgäu, auf sein Schaffen und auf die Welt, um das große Ganze zu erfassen und es zu begreifen. Die Genusswelt hat er dabei besonders im Fokus. Zu seiner Sichtweise gehört vor allem die Überzeugung, dass das Gute Zeit braucht. In der Welt allgemein, aber vor allem beim Genuss und bei allem, was damit zu tun hat. Michael Weiß entdeckt den Genuss im Anhören eines altge- sprochenen Dialektes, im Betrachten einer schönen Skulptur oder im Zapfen eines kühlen Bieres. Die Fähigkeit, mit diesem leidenschaftlichen Blick die Dinge zu betrachten, eröffnet für ihn neue Perspektiven und Handlungsoptionen. Es geht ihm dabei nicht nur darum, diese Erkenntnisse und Erfahrungen für sich selbst und für sein Unternehmen einzusetzen, sondern er möchte auch andere Menschen ins- pirieren und sie motivieren, es ihm gleichzutun. Um in den Worten von Antoine de Saint-Exupéry zu sprechen: „Wenn du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer." Dafür setzt er sich ein, persönlich wie beruflich, und investiert viel Freizeit und Geld in Genuss- und Qualitätsinitiativen, die das Allgäu und seine Bewohner in ihrem Vorhaben stärken, sensibilisieren und motivieren sollen. Ob es die Allgäuer Genussmacher sind, der Allgäuer Philosophiepreis, die Förderung des Allgäuer Architektur Forums, die Arbeit für die Marke Allgäu, die Slow-Brewing- Initiative, oder ob er als Heimat-Botschafter auf den vielen Festen der Region unterwegs ist: Der Mann hat diesen Antrieb und den Mut, Dinge zu verändern, und folgt dabei dem „Kompass“ seiner Vorfahren mit Feingespür und Weit- sicht. Kontroverse Themen diskutieren, manchmal auch unbequem sein, dabei Menschen nach ihrer Façon leben lassen und immer wieder Angebote machen. „Never be quiet“ – auch das ist Michael Weiß. Als wir vor einer großen Landkarte im Foyer der Brauerei zum Stehen kamen, flankiert vom „Hochvogel“, begann Michael mit Leidenschaft von diesen beiden Kunstwerken zu erzählen. Stephan Huber ist ein renommierter deut- scher Künstler, der für sein vielseitiges künstlerisches Schaffen bekannt ist. Er wurde 1952 in Lindenberg im Allgäu geboren, lebt und arbeitet sowohl in Marktoberdorf als auch in München. Huber ist vor allem für seine Arbeiten im Bereich der bildenden Kunst bekannt, insbesondere für seine Installationen, Skulpturen, Malereien und Zeichnungen. Seine Arbeiten zeichnen sich oft durch eine intensive Auseinandersetzung mit verschiedenen Themen aus, darunter Geschichte, Politik, Gesellschaft und persönliche Erfahrungen. Dabei bedient er sich verschiedener Techniken und Medien, um seine Ideen und Konzepte zu realisieren. Bei diesem Kunstwerk handelt es sich um eine ganz besondere Landkarte des Allgäus mit großer erzählerischer Kraft. Es sind darauf herausragende Personen des Allgäus wie z.B. Lena Weiss, Konrad Zuse, Carl Hirnbein und viele mehr verewigt. Neben den Personen werden zudem Mythen und Sagen beleuchtet, geschichtliche Hintergründe und Zeitgeschichte. Auch Menschen, die weltweit zu Ruhm gekommen sind, wie Otl Aicher aus Roth an der Roth, der die „Rotis- Schrift" kreierte und die Piktogramme zur Olympiade 1972 in München entwarf. Luftschiffpioniere wie Graf Zeppelin und auch historische Ereignisse zieren diese Karte und machen sie in dieser Form einzigartig. Diese Allgäu-Verbundenheit drückt sich nicht nur in diesem Kunstwerk aus, sondern auch in der Begeiste- rung, mit der Michael Weiß das Kunstwerk beschreibt. Nicht umsonst werden die beiden „Insignien“ mit einem exponierten Platz in der Brauerei gewürdigt. Überhaupt, in der ganzen Brauerei stechen einem sofort Kunstwerke heimischer Künstler ins Auge, wie z.B. auch von Kilian Lipp oder Irmi Obermeyer. Michael Weiß und schon seinen Vorfahren war und ist es ein tiefes Anliegen, die heimi- schen Künstler zu unterstützen und zu fördern, das beweist nicht zuletzt die intensive Zusammenarbeit mit der Schwabenakademie in Irsee und die damit verbundene jährliche Dotierung des Meckatzer Kunstpreises seit über 25 Jahren. Nach solch gewaltigen geschichtlichen Allgäuer Kunst-Momenten betraten wir den historischen Teil der Brauerei. Michael Weiß erzählte: „Die Familie ist der Ursprung von allem. Sie legt uns die Werte und Haltungen in die Wiege, die später unsere Handlungen und Ziele bestimmen. Und manchmal auch ein Handwerk, das weitergeführt werden will. Bei Meckatzer Löwenbräu liegen deshalb Braukunst und Verantwortung für Mensch, Natur und Traditionen nun schon in den Händen der vierten Generation." Meckatzer hat sich der Gemeinschaft verpflichtet. Landwirtschaft und Industrie, Mitarbeiter und Angehörige, Gastronomie und Handel – sie alle gehören zur „Meckatzer- Großfamilie". Wenn Michael z.B. von seinem Opa Benedikt spricht, dann leuchten seine Augen und seine Stimme wird ganz klar. Da sind sie wieder, dieser innere Kompass und die Gewissheit, dass schon in frühen Jahren diese unternehmerische Voraussicht vorhanden war, die der jeweiligen nachfolgen- den Generation die Richtung und den Weg vorgegeben hat. Ausnahmelandkarte des Allgäus und Skulptur des Allgäuer Berges „Hochvogel", geschaffen von Künstler Stephan Huber. Genuss-Kultur | Meckatzer Löwenbräu Fotos: Marco MehlAUSZUG AUS DER GESCHICHTE VON MECKATZER LÖWENBRÄU: Der Grundstein für die Meckatzer Löwenbräu wurde vor über 280 Jahren, im Jahr 1738 gelegt. Damals gehörten weite Teile des Westallgäus bis 1805 noch zu Vorder- österreich. Deshalb beantragte Joseff Fessler aus „Heymenkürch“ am 23. Juni 1738 auch beim Oberamt in Bregenz das Recht zum Bierbrauen. Am 30. Juni 1738 erhielt der junge Mann daraufhin das Schriftstück mit der Bewilligung zum „... Biersieden und Schenkhen allda gegen jährliche recognition pr 2 Pfund." Die Bewilligung ist bis heute im Rahmen einer Brauereiführung im Museum zu besichtigen. Doch Joseff Fessler war das Glück nicht hold. Schon bald musste er die Schank- wirtschaft wieder verkaufen. Nachfolgende Betreiber waren nicht erfolgreicher. Dreizehn Mal wechselte das Anwesen den Besitzer, bis 115 Jahre später, im Jahre 1853, Lena und Gebhard Weiss die Landbrauerei zu Meckatz erwarben. Sie be- gründeten damit die fortwährende Leidenschaft der Familie Weiß, bestes Allgäuer Bier zu brauen. Doch auch sie ereilte ein schweres Schicksal: Gebhard Weiss verstarb bereits 20 Jahre nach Übernahme des Brauereigasthofs, den Lena und er gerade zu erster Blüte geführt hatten. Nur dem Mut, der Verantwortung und der Treue seiner Frau Lena war es zu verdanken, dass neben der Brauerei auch die Existenz vieler Meckatzer Familien gerettet wurde. Lena Weiss widerstand allen Kaufangeboten. Eine mutige Ent- scheidung für eine Frau, die allein mit sechs Kindern die Brauerei zu leiten hatte. Erst in ihrem Sohn Benedikt, als dieser 16 Jahre alt wurde, fand Lena schließlich jene Unterstützung, die eine vielversprechende Zukunft ermöglichte. Auch absatzpolitisch zeigte Benedikt Weiß unternehmerischen Weitblick. 1905 beantragte er beim Kaiserlichen Patentamt zu Berlin die Eintragung der Marke Meckatzer Weiss-Gold. Es war die Geburtsstunde des legendären „Weiss-Gold"- Bieres, als es 1908 rechtsgültig als erste Allgäuer Biermarke registriert wurde. Immer mehr Allgäuer genießen dieses Markenbier fortan. Der Ausstoß der Brauerei stieg von 6000 hl im Jahr 1900 auf 14.000 hl im Jahr 1914 – ein vorläufiger Höchststand. Denn der Erste Weltkrieg erschütterte das Land und in den darauf- folgenden Inflationsjahren stiegen die Preise ins Unermessliche. Benedikts Söhne Josef, Edmond und Georg Weiß führten die Brauerei mit viel Geschick und einem guten Händchen durch die Wirren der Weltwirtschaftskrise und denen des Zweiten Weltkriegs. Die Zeit der staatlich verordneten Dünnbiere war vorbei. Ab 1950 durfte wieder das Original Meckatzer Weiss Gold mit seinem vollen Stammwürzegehalt von 12,6 % gebraut werden. Es entwickelte sich in den nächsten Jahrzehnten zur beliebtesten Biermarke des Allgäus. Benedikt Weiß, der Sohn des Josef Weiß, trat 1965 in das Unternehmen ein, leitete ab 1971 als geschäftsführender Gesellschafter die Geschicke der Brauerei und trug maßgeblich zur Qualität der Biere auf höchstem Niveau bei. 1987 wur- de unter seiner Führung eine neue Flaschenfüllerei und 1990 ein neuer Gär- und Lagerkeller gebaut. Bierkenner schätzten die Meckatzer Bierspezialitäten. Um auch bei laufend steigender Nachfrage dem eigenen Qualitätsanspruch weiter gerecht werden zu können, waren und sind immer wieder Erweiterungs- und Umbaumaßnahmen nötig. Im Sudjahr 1974/1975 wurden erstmals über 100.000 hl Bier ausgestoßen. Michael Weiß, der Sohn des Georg Weiß, trat nach seiner Ausbildung zum Diplom- Braumeister und Diplom-Kaufmann ins Unternehmen ein. Gemeinsam mit seinem Cousin Benedikt lenkte er in vertrauensvoller und erfolgreicher Zusammenarbeit die Geschicke der Brauerei. Nach dem plötzlichen Tod Benedikts 1993 übernahm Michael Weiß die alleinige Geschäftsführung. Er richtete das Unternehmen nach einer an Nachhaltigkeit orientierten Wertschöpfungsphilosophie neu aus und wurde zum Vorreiter für eine bewusste Allgäuer Bier- und Genusskultur.34 Zu den Rohstoffen: Die Auswahl der besten Rohstoffe ist eine der wich- tigsten Aufgaben der Braumeister. Der Hopfen für die Meckatzer Biere kommt überwiegend aus Tettnang, einem der besten Hopfenanbaugebiete der Welt. Das Malz stammt von Vertragsmälzereien, die die Gerste aus der Region Oberschwaben beziehen und gemäß der Spezifikation der Braumeister zu hochwertigem Braumalz verarbeiten. Auf dem Bild, von links nach rechts: Max Stör und Andreas Köhler neben Michael Weiß Der neue Reifekeller Die Entscheidung für den neuen Reifekeller war die größte Investition in der Firmengeschichte. Hier zeig- te er sich wieder, der innere „weißsche Kompass“, der den richtigen Weg weist. Die Unterschriften unter die vielen Verträge mussten während der Corona-Krise und damit in Zeiten maximaler wirtschaftlicher Unsi- cherheit geleistet werden. In der Nachbetrachtung hat sich diese Entscheidung als vollkommen richtig her- ausgestellt. Denn „nach Corona" explodierten sowohl die Kosten für das Bauen und für die aus Edelstahl gefertigten Tanks als auch die der Zinsen. Fotos: Marco Mehl Genuss-Kultur | Meckatzer Löwenbräu35 Interview mit Michael Weiß Michael, was liegt dir am Allgäu besonders am Herzen? Wo fange ich an, wo höre ich auf? Auch die kleinen, auf den ersten Blick unscheinbaren Dinge sind es wert, betrachtet zu werden. Selbst die banalste Sache wird, wenn man sie in sich entdeckt, höchst interessant. So ist das z.B. mit dem Dialekt. Ich bin in einem Haushalt groß geworden, der „divers“ war. Mein Vater war von hier, er kam in dem Haus zur Welt, in dem ich heute lebe, aber er sprach nur selten im Dialekt mit mir, meine Mutter kam aus Berlin und lehnte den hiesigen Akzent eher ab. Ich selbst war natürlich geprägt von meinem Umfeld, von meinen Kameraden und meiner Schulzeit. Und so kam es immer wieder zu lustigen Erlebnissen. Ich kann mich noch an eine Anekdote erinnern, da kam ich von der Schule nach Hause und begann die Unterhaltung mit: „Was gitt’s denn heit z’Mittag?“ Was bei meiner Mutter eher Ratlosigkeit auslöste, als eine Antwort zu finden. In dieser Zeit war es selbstverständlich völlig normal, im Dialekt zu sprechen, der sich heutzutage ja eher auf dem Rückzug befindet, auch bei den jungen Leuten. Umso wichtiger ist es, diesen Dialekt zu pflegen und am Leben zu hal- ten. Ich selbst kann zwar auch hochdeutsch sprechen oder mich einigermaßen auf Englisch, Französisch oder Italienisch unterhalten. Da sehe ich die Polarität wieder aufblitzen, die mir so wichtig ist: ein Leben zwischen Bodenständigkeit und Weltoffenheit. Ich finde den Spannungsbogen sehr interessant. Genau das leben wir auch mit unserer Marke. Die Frage, die ich mir stelle, lautet: Ist die Marke der Spiegel dessen, was dem „Weiß Michi“ wichtig ist und wie er lebt, oder dient die Marke der Brau- und Familientradition und gibt die Richtung vor? Wenn ich über den Hof hier rüberschaue, sehe ich mein Elternhaus, das aber auch schon meine Vorfahren bewohnten, und das ihre Individualität aus- drückt, in der Art, wie sie lebten und wohnten. Ich folgte diesem Prozess, ließ die Dinge teilweise beim Alten und brachte meinen Stil mit ein. So blieb die „DNA“ des Hauses und der Einrichtung erhalten und doch entwickelte es sich weiter und veränderte sich, ohne die Richtung zu verlieren. Vielleicht ist das auch die Geschichte und die Zukunft unserer Marke. „Sie ehren das Alte durch das Neue“, hatte es mal eine Journalistin auf den Punkt gebracht. Ich sehe meine Aufgabe darin, die Traditionen fortzuführen. Ich muss dabei auch eine Festigkeit, Beharrlichkeit mitbringen, um die vielen Innovati- onsangebote und Marketing-Verlockungen genau zu prüfen und ihnen manchmal auch zu widerstehen. „Fremde bringen Fremdes hinein“, sagte mal ein wichtiger Mensch in meinem Leben. So gilt es, diese neuen Dinge abzuwägen und mit Sachverstand und Gefühl die Entscheidungen zu treffen. Das wünsche ich mir auch für das Allgäu: dass wir hier in unserer Heimat für das Neue offen sind und mit gesundem Menschenverstand diese wunderba- re Region entwickeln, aber nicht um jeden Preis verändern. Dafür stehe ich als Chef der Meckatzer Löwen Brauerei, als Michael Weiß und als Mensch, der aus tiefem Herzen seine Heimat liebt und für sie da ist. Die Frage, die ich mir immer wieder stelle: Was kann ich für meine Heimat tun? Und nicht: Was kann meine Heimat für mich tun?Wie gehst du denn mit diesen Herausforderungen zwischen der Traditi- on, dem Neuen und den „fremden“ Mitarbeitenden, Agenturen, politi- schen Ansichten, Entwicklungen im Tourismus, Menschen etc. um? Folgende Überlegung, die ich in diesem Fall immer anstelle, ist: Passt das zu uns? Es geht mir dabei nicht darum, immer nur dasselbe stur durchzu- ziehen. Es muss eine Art „Hüter“ oder „Kurator“ geben, der sich das Neue genau anschaut und beurteilt, ob es bei der Weiterentwicklung unserer Mission, der Marke und des Unternehmens hilft oder eben nicht. Ich finde es sehr wichtig, dass die Menschen, die mit uns und für uns arbeiten, gut zuhören können, um zu verstehen, und nicht, um sofort zu antworten. Wer nur andauernd sendet, kann nicht zuhören und somit auch nicht verstehen. Kann man so was wie Genuss lernen? Ja, das kann man. Aber nicht auf die Schnelle und nicht ohne zu üben. Zuerst mal brauche ich einen Referenzwert, den ich in mir festlege, auf den ich mich beziehen kann. Egal ob ich gutes Bier, gutes Essen, guten Wein genießen möchte. Ich gleiche ständig ab, um bewerten zu können. Wenn ich noch nie diese Erfahrungen gemacht habe, fehlen mir schlichtweg die Vergleichsmöglichkeiten und ich kann mich nur schwer auf mein Urteil verlassen. Ich muss ständig trainieren, meinen Geschmack schulen und probieren. Was treibt dich jeden Tag an, diese Genusskultur zu schaffen und zu leben? Ich möchte alles, was ich mache, mit höchster Qualität erledigen. Ich bin fa- natisch und detailverliebt. Ich bin besessen das beste Bier zu brauen, ohne Kompromisse einzugehen. Das war in unserer Familie schon immer so. Mei- ne Devise ist so einfach und konsequent wie klar. Wir kaufen nur die besten Rohstoffe aus der Region, beste Gerste, besten Tettnanger Aroma-Hopfen und beziehen unser Wasser aus tiefen Quellen aus der Nachbargemeinde. Wir verarbeiten diese nach höchsten Qualitätsstandards und sorgen dafür, dass unsere Biere in der Gastronomie zu Topbedingungen ausgeschenkt werden. Das heißt, so ein Fass muss nach spätestens drei Tagen ausge- trunken werden und nicht erst nach zwei Wochen. „Vom Halm ins Glas des Gastes“, dafür müssen alle Schritte mit derselben Aufmerksamkeit und Liebe durchgeführt werden. Alle unsere Vertriebsmitarbeitenden sind Bier-Sommeliers. Unsere Kunden werden beraten und über die Kunst und Kultur des Bierbrauens aufgeklärt. Dieser Aufwand macht den Wert des Bieres erlebbar. Unsere Preispolitik zielt darauf ab, dass alle unsere Partner eine angemessene Wertschöpfung erzielen. Das setzt natürlich eine gegenseitige Wertschätzung voraus. Da der Biermarkt mengenmäßig seit Jahren schrumpft, heißt unser Motto „Klasse statt Masse“. Kultur bedeutet für mich, sich um etwas zu kümmern und es bewusst zu pflegen. Das heißt, nur wenn ich mich darum mit Sorgfalt kümmere und die Dinge pflege, kann auch etwas wachsen und entstehen. Ich möchte meine „Schwestern und Brüder“ im Geiste in ihrem Tun darin stärken, das Allgäu gemeinsam mit Meckatzer als eine Genussregion zu etablieren. Meine „Ins- piration“ sind dabei Vorarlberg und Südtirol. Beide Regionen haben es in den letzten 30 Jahren durch einen konsequenten Prozess der Qualitätssteigerung in allen Bereichen geschafft, sowohl für Einheimische wie auch für Touristen an Attraktivität zu gewinnen. Wir haben in unserer Region natürlich einige Leuchtturmprojekte, die mich begeistern und die uns helfen, den alpinen Raum gemeinsam, in Bezug auf Qualität und Nachhaltigkeit, zu entwickeln. Aus diesem Grund haben wir auch die „Allgäuer GenussMacher-Initiative“ DAS GÜTESIEGEL FÜR BIER Herausragender Geschmack und ein gutes Gefühl beim Genießen. Dafür stehen Bierspezialitäten, die mit dem „Slow Brewing"-Gütesiegel ausgezeichnet sind. Um das Gütesiegel zu vergeben, prüft „Slow Brewing" nicht nur die Qualität des Biers, sondern auch die Brauerei, die es herstellt. Der umfassende Anspruch, die Tiefe und Frequenz der Überprüfungen und der wissenschaftliche Zugang sind einzigartig am internationalen Biermarkt. Warum schmecken „Slow Brewing"-Biere herausragend? Neben der Verwendung reinster, natürlicher Rohstoffe ist es die langsame, schonende Reifung bei Temperaturen bis zu minus 1,5 °C des „Slow Brewings", die sich ganz wesentlich auf den besonders runden und ausgereiften Geschmack von „Slow Brewing"-Bieren auswirkt. Die schonende Brauweise wirkt sich aber nicht nur positiv auf den Geschmack aus, es entstehen auch keine Fuselalko- hole, wie bei beschleunigten Herstellungsverfahren, die oft in der industriellen Massenproduktion zum Einsatz kommen. Warum ein „ gutes Gefühl “ ? Weil man Bier konsumiert, das von Brauereien stammt, die in allen Bereichen ihrer Wertschöpfungskette fair und bewusst agieren. Die umfangreichen Zertifizierungskrite- rien umfassen beispielsweise die gelebte Unternehmens- verantwortung, das Arbeiten im Sinne der Nachhaltigkeit für Generationen, die aktive Mitarbeiterförderung und das konsequente Leben einer positiven Unternehmenskultur. www.slow-brewing.com37 ins Leben gerufen, um den Menschen hier im Allgäu und den Touristen zu zeigen, wozu wir in der Lage sind, wenn die Haltung stimmt und Leidenschaft für Genuss und Qualität im Herzen brennt. Ganz nach dem Motto „Vom Einfachen das Beste – gerne auch mal ein knuspriges Brot mit Butter oder Olivenöl, ein Stück guten Bergkäses und dazu einen feinen Schinken, Mixed Pickles und ein frisches Bier.“ Was braucht es noch, neben dem Angebot, um eine ganze Region zu entwickeln und für die Zukunft aufzustellen? Das Leitbild der Brauerei lautet: „Qualität in allem Tun zum Wohle der Men- schen, mit denen und für die wir tätig sind.“ Qualität steht über allem. Damit meine ich nicht nur bei unserem Bier, sondern auch bei den Mitarbeitenden, den Zulieferern und natürlich den Kunden, die unsere Produkte kaufen. Wir schaffen komplette Transparenz in der Wertschöpfungskette, sodass die Menschen, die unsere Biere kaufen und genießen, den Wert des Bieres nachvollziehen können. Es braucht aber auch Engagement für die Heimat. Ich bringe mich auch in meiner Freizeit für unsere Heimat ein. So bin ich z.B. im Beirat der Allgäu Top Hotels, im Aufsichtsrat der Allgäu GmbH, die die Marke Allgäu entwickelt, war jahrelang im Gemeinderat und der IHK tätig. Dieses Engagement für das Gemeinwohl wurde sogar mit dem Bundesverdienst- kreuz gewürdigt. So sehe ich meine Arbeit und meine Verantwortung. Michael, ich habe gesehen, dass ihr auch das Gütesiegel des „Slow Brew- ing" habt, was hat es damit auf sich? Unsere Biere tragen nicht nur dieses Siegel, sondern wir waren die erste Brauerei, die sich diesem Thema widmete. Ich kann mich noch gut erin- nern, als die Initiatoren Dr. August Gresser, Brauer und Ehrenmitglied der „Accademia della Birra“, Dr. Heise von der Zeitschrift „Brauwelt“ und Dr. Tullio Zanngrando, der Grandseigneur der italienischen Brauwelt, bei mir hier in Meckatz aufschlugen und mir das Konzept, ja die Idee des „Slow Brewing“, vorstellten. Mit in dieser Entourage war auch noch Professor Dr. Heinz Miedaner, genannt „Mieze“, von der Technischen Universität Weihenstephan. Bei dem habe ich selbst meine Braumeisterausbildung gemacht. Alles Menschen, die sich der Qualität und der Kultur des Bieres verpflichtet fühlten. Zusammengefasst kann man aus dem Gespräch Fol- gendes festhalten: Wir widmen uns nur noch einer Frage. „Wie macht man hervorragendes Bier, das nur der Qualität verpflichtet ist und sonst nichts?“ Verpflichtet nicht nur der Produktqualität, sondern auch der Unterneh- mensführung der Brauereien. Das war vor allem mir sehr wichtig. Das „Slow Brewing"-Siegel ist das strengste Gütesiegel im Biermarkt. Für mich Grund genug, mit Meckatzer als Erster und als Initiativ-Botschafter mit gutem Beispiel voranzugehen und dabei zu sein. Mittlerweile haben sich diesem Gütesiegel und Qualitätsversprechen mehr als 40 Brauereien in Deutsch- land, den Niederlanden, Österreich, die Schweiz und Italien angeschlossen. Sie erfüllen allesamt die harten Prüfkriterien. Mit welchen Szenarien, Chancen und eventuellen Risiken rechnest du in der Zukunft für deine Branche? Wir haben es mit einem schrumpfenden Markt zu tun. Der Pro-Kopf-Kon- sum an Bier ist weiter rückläufig, die Alkoholpolitik restriktiv. Auch die jun- ge Generation trinkt tendenziell immer weniger Alkohol. Die Klimarisiken sind nur schwer abschätzbar. Das bedeutet für uns: Wenn die Mengen nicht mehr wachsen, muss der Wert der Marke wachsen. Dafür tun wir alles. Wir sollten das Kulturgut Bier ehren und uns Zeit für etwas Gutes nehmen. „Angebot schafft Nachfrage“ – von dieser Regel bin ich fest überzeugt. Das, was wir hier machen, müssen wir so machen, dass die Menschen da draußen es mitbekommen und den Wert von gutem Handwerk, bester Qualität und Tradition erkennen und schätzen. Aus dem Allgäu fürs Allgäu, aus dem Allgäu für die Welt! Wir müssen nicht nur die ökologische Nachhaltigkeit leben, sondern auch einer ökonomischen und sozialen Nachhaltigkeit gerecht werden. Als eine der ersten Brauereien in Deutschland nehmen wir seit mittlerweile 20 Jahren freiwillig am „EG-Öko-Audit", heute EMAS, und am „Umweltpakt Bayern" teil und erstellen einen Nachhaltigkeitsbericht. Die Meckatzer Lö- wenbräu hat 2014 erfolgreich am Pilotprojekt des Bayerischen Staatsmi- nisteriums „Vom Umweltmanagement zum Nachhaltigkeitsmanagement" teilgenommen. Wir haben dann in nur acht Monaten das Umweltmanage- mentsystem zu einem Nachhaltigkeitsmanagement ausgebaut. Genuss-Kultur | Meckatzer LöwenbräuNext >