< PreviousStil hat Konjunktur. Immer mehr Menschen suchen Nachhilfe in Stilfragen. Und es sind keineswegs nur die sogenannten Aufsteiger, die Stilsicher- heit als Karriere-Tool nutzen wollen, sondern es sind Menschen aus allen Gesellschaftsschichten. Junge Leute, aber auch eine be- merkenswerte Anzahl von Repräsentanten der Führungsebene, die eine breite Öffentlichkeit als stilsichere Vorbilder wahrnimmt. Nach Jahrzehnten des „Anything goes” ist die Verunsicherung groß. Ästhetik, guter Geschmack und gutes Benehmen sind ein unübersichtliches amorphes Gelände geworden, in dem man sich nach einer Navigationshilfe sehnt. Diese Navigationshilfe ist der Stil und sein Regelwerk. Wer Stil hat, verfügt über einen inneren Kompass, der ihn durch die immer extremer werdenden Schwankungen eines immer extremer beschleunigten moder- nen Lebens führt. Das klingt zwar nach Patentrezept, ist aber in der Realität alles andere als einfach. Zumal in letzter Zeit ein Begriff allgegenwärtig ist, der ähnlich klingt wie Stil, jedoch nicht dasselbe bedeutet: Style. Das eigene Sprachgefühl sagt einem, dass zwischen „Das hat Stil” und „Das hat Style” ein deutlicher Unterschied besteht. Dieser ist nur schwer zu definieren. Wo sich unser Verstand schwertut, hilft Intuition. Als „Geländer” stelle ich deshalb eine beispielhaft-plakative Assoziationsreihe auf, die man unendlich fortsetzen könnte. Man könnte sagen: Stil ist eine zurückhaltende, individuelle und kultivierte Art der Selbstdarstellung (Sein). Style ist eine neu- modische Abweichung von Stil; keine authentische Selbstdar- stellung, sondern eine mit Hilfe immer neuer Trends und Moden inszenierte Dauerausstellung eines idealisierten Selbstbildes (Schein). Kaum ein anderer ist für die Definition von Stil geeigneter als Gunter Sachs, der den Begriff Stil idealtypisch verkörperte: Essay | Sabine Meister Stil istStyle ist ZeitlosModisch GelassenAktionistisch Innere MitteIn oder Out Ruhiger FlussSprudelnder Bach BewahrendVerändernd FundamentExperiment UnaufdringlichAuffallend SeinSchein InnenbestimmtAußenbestimmt SicherRiskant Don’t do that!Let’s do it! Jackie KennedyMelania Trump Giovanni AgnelliLeonardo DiCaprio „Stil im Leben ist für mich eng verbunden mit Weltgewandtheit, Bildung, Takt und Humor mit einem guten Schuss Selbstironie. Wie bei vielen Dingen sind Intelligenz und Geld willkommene Paten, aber keine Notwendigkeit. Und als homöopathische Zutat: eine Prise Diabolo.” Die Anforderungen sind hoch. Werden sie nicht in der richtigen Mischung erfüllt – z.B. zu wenig Bildung, keine Selbstironie oder zu viel Diabolo –, wird aus Stil eben nur Style. Im Mittelalter musste man sich über Stilfragen keine Gedanken machen; es gab Stände- und Kleiderordnungen, die genau vor- schrieben, wer welche Stoffe in welchen Farben tragen durfte. Im Zeitalter des Absolutismus gab der französische König dem Rest Europas vor, was „der rechte Stil” war. Später ging diese Macht auf die königliche Mätresse über, es entwickelte sich sogar ein „Style Pompadour”. Man könnte sagen, dass der Kanon, den wir heute „Stil” nennen, seinen Ausgangspunkt in der Etikette am (französischen) Hofe hatte, zumindest in der Aristokratie. Aus komplizierten aristokra- tischen Umgangsregeln entstand ein ungeschriebener gemeinsa- mer Comment, wie man sich zu verhalten und zu kleiden hatte. Das Leben bei Hofe und dessen Etikette, das war Stil. Die Ca- pricen in den Lustschlössern hingegen waren Style. Historisch betrachtet wurde Stil immer mehr zu einem Thema mit Variati- onen. Diese Variationen nennen wir heute Style. Der Begriff ist neu, aber das zugrunde liegende Phänomen gibt es schon lange. Stil ist längst den engen Adelskreisen entwachsen und zu einem allgemeinen Geschmacks- und Verhaltenscodex geworden. Im Französischen gibt es dafür die wundervolle Formulierung: „le bon ton”. In direkter Übersetzung bietet es eine sehr elegante, geschmeidige Definition dessen, was Stil ausmacht: Stil ist die Fähigkeit, in allen Situationen den richtigen Ton zu finden – in der Kleidung, im Auftreten, in der Konversation. Stil & Style ist eine komplexe Thematik mit vielen Verästelungen und Widersprü- chen. Um dieses spannende Thema transparent und nachvoll- ziehbar zu machen, möchte ich deshalb einige Thesen aufstellen, die – aus meiner Sicht – Allgemeingültigkeit haben: Stil ist eine Haltung. Style ist nur auf die Oberfläche fixiert – ein schnelles, sehr im Augenblick verankertes Vergnügen ohne Tief- gang. Stil ist nicht hedonistisch, ist kritischer, strenger. Während Style-Anhänger begeistert sagen „Da mache ich mit!”, fragen sich Stil-Anhänger zunächst einmal „Warum sollte ich da mitma- chen?”. Sie stürzen sich nicht blindlings auf jede neue Mode, sie bewerten erst und warten, bis sich der Qualm des Hypes verzieht und man klarer sieht. Stil steht somit für eine eher vorsichtige Haltung gegenüber Neuheiten. Erst wenn sich etwas über einen hinlänglich langen Zeitraum bei einer großen Zahl von Mitmen- schen etabliert hat, wird es von Stil-Protagonisten akzeptiert. Sie wollen nicht das Neueste, sondern das Beste, und das nach sorgfältiger Prüfung. Stil ist zugleich eine umfassende Haltung. Während Styles sich oft auf kleinteilige Einzelaspekte beziehen (z.B. Hair Styling), geht es bei Stil um wesentlich mehr als um Frisur oder Kleidung. Stil ist nicht nur das, was man trägt. Es ist auch das, womit man sich umgibt, wie man wohnt und wie man sich benimmt. Stil ist ganzheitlich, Style ist meist ein uneinheit- liches Patchwork. Stil ist kultiviert; Style dagegen setzt sich gern über Kultur hinweg. Stil ist ein Hybrid aus Konsens und Individualität. Einesteils ist Stil ein Regelwerk, dem sich fast alle fügen, andererseits ist es etwas zutiefst Individuelles. Es ist wie in der Musik: Man spielt nach einer Partitur, aber den Ton macht man selbst. Es bleibt immer ausreichend Spielraum, die Vorgaben des Notenblatts 050ganz persönlich zu interpretieren. Das ist essenziell. Schließlich ist Stil vom lateinischen Wort „stilus” abgeleitet. Es bedeutet Schreibgerät bzw. Griffel und steht damit für die persönliche Handschrift – eine der ureigensten Ausprägungen des Menschen. Stil ist Reduktion.„Auf die Dosis kommt es an”, wusste schon Paracelsus. Dies gilt auch, und gerade, in Stilfragen. Während Style eher von der extrovertierten Geste lebt – „Seht her, hier ist etwas Neues, etwas ganz Besonderes und ganz besonders Teu- res” – , ist Stil eindeutig von Zurückhaltung geprägt. Der deut- sche Maler Anselm Feuerbach formulierte aus dieser Erkenntnis bereits im 19. Jahrhundert eine der besten Stil-Definitionen überhaupt: „Stil ist ein richtiges Weglassen des Unwesentlichen.” Wenn man diese einfache Messlatte an einige bekannte Marken anlegt, erkennt man sofort: Hermès ist Stil, Versace ist Style; Loro Piana ist Stil, Dolce & Gabbana ist Style; Lange & Söhne ist Stil; Richard Mille ist Style. Internationale Marken definieren eine klare Trennschärfe zwischen Stil und Style. Stil ist langlebig. Man kann einem bestimmten Stil über Jahre oder gar Jahrzehnte treu bleiben, einem Style nicht. Denn Styles rasen mit Facebook-Geschwindigkeit um die Erde und verglühen wie Sternschnuppen. Oder sie kehren in regelmäßigen Abstän- den wieder wie Kometen – zum Beispiel als Retro-Design oder als Flower-Power-Revival. Styles müssen immer wieder neu, anders, ungewöhnlich sein, um als Trendbarometer zu gelten. Stil will das genaue Gegenteil. Stil ist konservativ und neigt zur Bewah- rung des Status quo. Am Aktienmarkt würde man sagen: Die Stil-Schwankungsbreite ist gering. Style dagegen bewegt sich häufiger und heftiger. Als bildhafte Maxime formuliert: Stil ist die Seit jeher setzt sich Sabine Meister engagiert auch mit Kunst auseinan- der: In der Vergangenheit lancierte die Unternehmensberaterin beispiels- weise limitierte Editionen von Kunst- größen wie Victor Vasarely, Henry Moore oder Andy Warhol. Zudem ist Sabine Meister, deren Eltern- haus über zwei Jahrzehnte in Hong Kong stand, passionierte Sammlerin von Asiatika – hauptsächlich von Burmesischen Buddha-Skulpturen, deren puristische Ästhetik in perfek- tem Einklang zu ihrer Sammlung zeitgenössischer Kunst – Informal und Minimal Art – steht. Puristisch sind auch die gänzlich in Weiß ge- haltenen Büroräumlichkeiten von Meister&Associates, was wir als an- genehmen Ausdruck ihres zurückhal- tenden Stils empfanden. ruhige Linie, um die der Style oszilliert. Der Unterschied zwischen Stil und Style ist Qualität. Moden vergehen, Trends implodieren. Fast alles, was mit Style zu tun hat, kommt schnell und geht schnell. Haltbarkeit – physisch, visuell oder ideell – ist bei Style nicht gefragt. Man braucht keine Nachhaltigkeit für die kurze Zeitspanne, in welcher der aktuelle Style gefragt ist. Natürlich gibt es auch im Stylebereich sehr hoch- wertige Produkte, in der Mehrzahl jedoch wird die Qualität als untergeordnet betrachtet. Priorität hat der Neuigkeitsaspekt. Wer stylebewusst kauft, läuft daher häufig Gefahr, zu erstklassigen Preisen zweitklassigen Gegenwert zu erwerben. Bei Stil verhält es sich anders. Stil ist in der Regel teuer, aber er ist es wert. Giorgio Armani hat diese Zusammenhänge auf den Punkt gebracht: „Der Stil ist der Mode überlegen. Er lässt sich von der Mode anregen und greift ihre Ideen auf, ohne sie ganz zu übernehmen. Niemand mit Stilbewusstsein würde seine Art, sich zu kleiden, nur um der Mode willen radikal ändern. Was Stil von Mode unterscheidet, ist die Qualität.” Genauso ist es. Stil bedingt Qualität, Style nicht. Der Unterschied zwischen Style und Stil ist Mut. Wenn man Stil und Style personifizieren würde, wäre Stil eine elegante, zurückhaltende Dame von Welt, und Style wäre ihre kleine, spät- pubertäre Schwester, die sich jedem Modediktat unterwirft. Die- ses Bild beschreibt die „kleine Schwester” allerdings nur bedingt richtig. Denn Style ist nicht nur Verwirrung und Verirrung, sondern verlangt, dass man neue Wege geht. Dazu gehört Mut. Man muss die Komfortzone der etablierten Geschmacksmuster verlassen, Fehltritte riskieren, Kritik einstecken können … Nur mit Mut im Gepäck kommt man wirklich weiter. Ich bin der Überzeugung, dass 051Style ein wichtiger Katalysator ist. Stil schlägt Grenzpfähle ein, wäh- rend Style das Terrain sondiert und erweitert. Style ist von hoher Relevanz für die Evolution des Stils. Falls demnächst ein eher exoti- sches Fashion Victim Ihren Weg kreuzen sollte: Bleiben Sie gelassen und honorieren Sie den Mut. Betrachten Sie es als Laborfall eines etwas zu unbekümmerten Forschers. Stil wirkt mühelos. Wie gesagt, basiert Stil meiner Meinung nach im Wesentlichen auf Reduktion. In der Praxis bedeutet das: Under- statement. Zurückhaltung ist das A und O guten Stils. Dies gilt für alles; vor allem auch für die Intensität, mit der man seinen Stil der Außenwelt präsentiert. Stil kennt keine Show-Effekte. Stil bedeutet Souveränität – er wird mit Selbstverständlichkeit gelebt. Wer, wie in Londoner Nobelvierteln des Öfteren zu hören, seinen Luxus- SUV als „Chelsea Tractor” herunterspielt, hat Stil verinnerlicht. Unvergesslich ist mir auch ein englischer Adeliger, der bei einem offiziellen Anlass unter quittengelben Hochwasser-Hosen flauschige grasgrüne Socken mit orangefarbenen Streifen trug. Ich weiß nicht, was mich mehr beeindruckte: Das erstaunliche Fashion Statement oder die unbekümmerte Nonchalance des Trägers. Stil ist eindeutig nicht nur eine Frage des „Was”, sondern auch des „Wie”. Stil und Persönlichkeit müssen deckungsgleich sein. Stil bedeutet Authentizität. Stil hat Würde. Audrey Hepburn erscheint in ihrem Audrey-Hepburn-Stil stimmig, Paris Hilton würde darin verkleidet wirken. Es ist das hinlänglich bekannte „Red-Carpet-Phänomen”, das wir von vielen Filmfestspielen oder Preisverleihungen kennen: Normalerweise hinreißend aussehende Schauspielerinnen wirken verkrampft in ihren übertriebenen Roben, die nicht zu ihnen passen. Der Buchtitel des Autors Gottfried Keller, „Kleider machen Leute” ist meines Erachtens irreführend. Stil kann man nicht einfach überstülpen. Und es reicht auch nicht aus, wenn man seine Regeln sklavisch befolgt. Wahrer Stil hat Format, er hat Ästhetik und ist der äußere Ausdruck einer schönen Seele. Man hat Stil oder man hat ihn nicht; man kann ihn nicht kaufen. Stil braucht, wie die Liebe, eine innere Beteiligung. Stil muss man leben, und deshalb müssen Stil und Person eins sein - sonst ist alles nur Fassade. Stil hat Autorität. Stil entsteht nicht von selbst. Stil ist das Ergebnis einer Wahl – einer Wahl, die seit Jahrhunderten tagtäglich durchge- führt wird und in der immer wieder aufs Neue darüber abgestimmt wird, welche Art der Kleidung, des Auftretens und des Umgangs als vorbildlich und deshalb auch als erstrebenswert gilt. Aus der Fülle der Möglichkeiten filtert Stil das Wesentliche heraus. Stil heißt auch: ein ständiges Finetuning, eine konstante Optimierung. Stil steht täglich auf dem Prüfstand. Das gibt ihm, wie einem dauernd wiedergewählten Staatsoberhaupt, Autorität und Stärke. Stil ist einer der mächtigsten Verbündeten, die man im gesellschaftlichen Leben haben kann. Zusammenfassend meine ich: Stil und Style sind ein unzertrenn- liches Paar. Sie sind grundverschieden und ergänzen sich dennoch perfekt. Kein Style ohne Stil, kein Stil ohne Style. Stil ist der große, gut gepflegte Park, Style ist die Spielwiese darin. Stil ist der ent- spannte Sommerabend auf der eigenen Terrasse, wo man ganz bei sich ist, Style ist der Abenteuerurlaub, den man als Herausforderung braucht. Es ist spannend, sich zwischen beiden Welten zu bewegen. Egal, wo man sich verortet, das Credo von George Louis Leclerc Graf du Buffan gilt immer: „Le style c’est l’homme.” Armani würde jetzt sicher fragen: „Gibt es wirklich so wenige gute Menschen?” Essay | Sabine Meister „Der Weg ist das Ziel” wusste schon der chinesische Phi- losoph Konfuzius. Diesem Credo hat sich die mit Asien tief verbundene Unternehmensberaterin Sabine Meister ver- schrieben, und sie setzt dieses Lebensmotto konsequent nicht nur privat, sondern auch in ihrem Geschäftsleben um. Schon früh haben renommierte Topmanager Sabine Meister, die in Hong Kong Marketing und Kommunikationspsycho- logie studierte und zuerst als Marketingberaterin tätig war, konsultiert, um ihren eigenen Stil zu verfeinern. Neben ihren heutigen Schwerpunkten, der Entwicklung von Markenstra- tegien und der Durchführung von Transaktionen, kommt für Sabine Meister mit der Mediation eine ganz entscheidende Rolle hinzu: „Die heutige Geschäftswelt erfordert mehr als den bloßen Einsatz von Paragraphen, Geld und Macht; sie verlangt einen einfühlsamen Umgang mit dem Gegenüber. Das Respektieren des Partners dokumentiert Würde - und damit Stil. Guter Stil schafft Vertrauen und war von jeher die Grundlage eines jeden nachhaltigen Abschlusses”, erklärt die Beraterin weiter. Denn: Der Weg ist das Ziel. 052ClassiCon www.classicon.com Ergonomie-Kultur | Muckenthaler Entspannungskünstler in GravityMuckenthaler Muckenthaler Ergonomie www.muckenthaler.de Pacellistraße 5 80333 München T: +49 (89) 291989-0 ergonomie@muckenthaler.de Wir lieben die Schwerkraft. Die Kunst des zur Ruhe Kommens ist, für viele fühlbar, im turbulenten, anspruchsvollen All- tag verloren gegangen. Ein Verlust, der sich keineswegs sofort, sondern eher schleichend bemerkbar macht. Schaffen Sie sich Ihre kleine Entspannungsoase daheim. Einen Ort der Ruhe, der Ihnen jederzeit zur Verfügung steht. Einen, der nicht nur Ihren Kopf dazu einlädt, in einen anderen Zustand zu kommen,sondern durch seine perfekte Ergonomie auch für unmittelbare Tiefenentspannung Ihrer Muskeln und Gelenke sorgt. Entdecken Sie den Entspannungskünstler in sich. In unserem Showroom beraten wir Sie gerne. Kommen Sie doch einfach mal vorbei! 055Fashion-Kultur | 8 Eden Avenue 8 Eden Avenue The Luxury of Truth Slowly crafted cashmere scarves www.8edenavenue.com 056Daniel Breidt Interieur Photography www.breidt.com daniel@breidt.com M: +49 (172) 8553885 057Für Fritz Unützer ist die Freude, die besondere Dinge schenken können, etwas unvergleichlich Wertvolles. Er serviert Kaffee aus einer wunder- schönen Porzellantasse aus Limoges, das Design stammt von der Unützer- Chefdesignerin. Er fährt leiden- schaftlich gern seinen Mercedes 300 SE aus den Achtzigern. Der Trend zum Leasing geht für ihn einher mit einem Verlust an der Freude am erarbeiteten Eigentum. Das alles hat Stil. Fritz Unützer hat als Zwanzigjähriger eine Lehre bei Burberry’s in London gemacht und danach einige Monate beim legend- ären Schuh-Hersteller Church’s verbracht. Dort wurde seine Leiden- schaft für Schuhe geweckt. Das eigene Damenschuh-Label fand seinen Weg auf die Catwalks der internationalen Modewelt jedoch erst zwei Jahrzehnte später. Unützer Herrenschuhe? Könnte eine neue Herausforderung sein. Aber lesen Sie einfach selbst.ICH HABE MEINE SACHEN GERNE L A N G . Fotos: Daniel Breidt Interview: Paul Wagner Herr Unützer, die Maximilianstraße 1948. Ihr Vater eröffnet ein Modegeschäft, das bald zur ersten Adresse in München wird. Sie wurden sozusagen in die Mode hineingeboren. Wie waren sie angezogen als Schüler? Anders als die anderen? Modischer? Stimmt nicht ganz, es war zunächst nicht die Maximilianstraße, sondern eine einfache Baracke am Lenbachplatz, in die mein Vater 1948, unmittelbar nach der Währungsreform, zog. Mein Vater war unglaublich: Er hatte als eines seiner ersten Produkte Nickipullo- ver in vielen Farben im Angebot. Wissen Sie, was ein Nicki ist? Schon. Wissen Sie wo die hergestellt wurden? Ganz ehrlich: Keine Ahnung. In Israel. Ein paar Monate nach der Unabhängigkeit Israels 1948 konnte mein Vater schon Handelsbeziehungen dorthin aufbauen. Was er damals so zuwege brachte, war in vielerlei Beziehung bewundernswert. Mein Vater hatte 1950 als einer der ersten über- haupt Kaschmirpullover im Sortiment. Kaschmir, damals! Viele haben zu der Zeit noch versucht, alte Uniformen umzuschneidern, andere haben Anoraks aus Fallschirmseide gefertigt. Es war ja nichts da zu der Zeit. Meine Mutter wußte aber, wo gute Stoffe zu bekommen waren. Sie war Absolventin der Meisterschule für Mode und sehr künstlerisch orientiert. Sie hat alles für uns Kinder geschneidert. Und, haben Sie sich als Schüler von den anderen abgehoben? Ich denke nicht. Natürlich hat unsere Mutter stilvoll gearbeitet, aber nicht abgehoben. 1969 haben Sie dann mit Ihrem Bruder Peter ein Geschäft mit 700 Quadratmetern Ladenfläche in der Maximilianstraße eröff- net. Was für Herausforderungen galt es zu meistern? Wir waren in einer Situation, die Sie sich heute nicht mehr vorstel- len können. Es gab, besonders in der Damenbekleidung, schlicht und ergreifend keine Marken mit vollem Sortiment. Nicht eine. Die Röcke wurden von einem Rockhersteller gemacht, die Blusen von einem Blusenhersteller, die Strickwaren von einem Strickwa- renhersteller. Es war nicht farbig abgestimmt, also haben wir alles in unseren Farben anfertigen lassen. Verraten Sie ein wenig über Ihre Zeit in London in den späten Sechzigern. Sie hat Sie stark geprägt, ja? Natürlich hat mich London damals geprägt. Allein die Beatles … In London wurde damals wirklich die Welt gedreht. Aber positiv und kreativ. Jeder hat irgendetwas geschaffen, Militärstiefel mit bunten Rosen bestickt, Jeans mit Bell-Bottoms verschönert. In London waren sie kreativ, bei uns in München waren sie zu der Zeit, meinem Gefühl nach, unnötig aggressiv. Mein Bruder Peter war 1968 an der Kunstakademie, da wurden als Protest schon mal Heringe an die Decken geworfen, die dann irgendwann wieder wie eine Rakete runterflogen, na ja. Mir ist aufgefallen, dass der Kontrast zwischen England und Deutschland zu der Zeit riesig war. In England hat man sich das Recht genommen, Dinge anders zu machen. Sie haben die Musik anders gemacht, sie haben Clubs an- ders gemacht, sie haben sich anders angezogen, lustig! Sie haben das, was ihre Eltern gemacht haben, einfach nicht mehr gemacht. Aus Läden wurden auf einmal Boutiquen. Weg mit den Tresen! Freier Zugang zu den Waren! Das war neu. In London hat man sich im wahrsten Sinn des Wortes die Freiheit genommen, und ich muss sagen, ich war ganz froh, dass ich in England war und nicht in München. Die Zeit, die ich als damals Anfang Zwanzigjähriger in London verbracht habe, war also sicher prägend, aber sicher nicht konservativ prägend. Ganz anders meine Zeit in Irland. Ich Interview | Fritz Unützer 059Next >