< PreviousInterview: Paul Wagner „Besser leben, mit Wenigem, das lange hält.“ Nach diesem Grundsatz pro- duziert Vitsœ seit mehr als 50Jahren die originalen Möbel- entwürfe von Dieter Rams.Seit 2013 sind die Systemmöbel von Vitsœ in der Münchner Türkenstraße 36 zu sehen: Dort sprachen wir mit dem aus London angereisten Geschäfts- führer Mark Adams über die Liebe zum Detail, gesunden Menschenverstand und den Zusammenhang von Evolutions- theorie und Design. Interview Vitsœ | Mark Adams 020Herr Adams, seit Beginn des Jahres bietet Vitsœ eine überarbeitete Version des Beistelltischs 621 von Dieter Rams an. Hinter dem prosaischen Namen versteckt sich ein vielseitiger „Tisch für alle Fälle“. Was waren die Herausforderungen in der Neuproduktion, mehr als 50 Jahre nach dem Erstentwurf? Niemand würde vermuten, wie unglaublich viel Arbeit in der Herstellung dieses unscheinbaren Beistelltischs steckt. Die größte Herausforderung war die Oberflächenlackierung. Die Firma, mit der wir zusammenarbeiten, lackiert für Rolls Royce, Aston Martin, Bentley und belächelte uns, als wir mit dem simpel aussehenden 621 ankamen. Ein paar Wochen später waren sie ernüchtert. Warum? Bei Fahrzeuglackierungen gibt es immer eine Front, die brillant aussehen muss, und eine Rückseite, die man später nicht sehen wird. Der 621 dagegen ver- zeiht nichts: Es gibt keine versteckten Stellen, bei denen man tricksen könnte. Oben, unten, seitlich– alle Flächen müssen gleichermaßen perfekt sein. Als ich Dieter Rams den fertig lackierten Tisch präsentierte, schaute er ihn sich erst einmal gar nicht so genau an, er befühlte ihn! Minutenlang. Schließlich fragte ich: „Ist es okay?“ Er sagte nur: „Überwältigend.“ 021Interview Vitsœ | Mark Adams Dieter Rams hat den Tisch 1962 zusammen mit dem Sesselprogramm 620 entworfen. Gab er selbst den Ausschlag, ihn jetzt wieder neu auf zulegen – nachdem Vitsœ im letzten Sommer eine Überarbeitung des Sesselprogramms prä sentierthat? Nein, tatsächlich kam der Impuls von uns. Dieter war lange Zeit sehr zurückhaltend mit der Um- setzung seiner alten Entwürfe, er glaubte, es sei einfach zu viel Zeit vergangen. Wir sahen das ganz anders und konnten ihn überzeugen. Jetzt ist der Tisch ein Synonym für das Geschäftsmodell von Vitsœ, das wir seit mehr als 15 Jahren forcieren und auf alle von uns realisierten Möbelentwürfe von Dieter Rams anwenden: Die Grundform präzise beibehalten, Verbesserungen entwickeln und die Produktionsweise so intelligent gestalten, dass wir eine bessere Qualität zu einem sehr vernünftigen Preis anbieten können. Entschuldigen Sie, aber Entwürfe von Dieter Rams einer Änderung zu unterziehen, klingt ein wenig wie ein Sakrileg. Das Gegenteil ist der Fall. Wir wollen nicht neuere Dinge schaffen, sondern bessere Dinge – übrigens einer der wichtigsten Grundsätze von Vitsœ – und niemand unterstützt das mehr als Dieter Rams. Als er bei einer Jubiläumsausstellung eines der Regal- systeme 606 aus der ersten Produktion sah, meinte er zerknirscht zu mir: „Mark, alle meine Sünden sind hier offen zu sehen.“ Wir haben seit 1995 über 90Verbesserungen daran vorgenommen. Niels Vitsœ, der Firmengründer und Namensge- ber von Vitsœ, sagte einmal zu mir: „Gutes Design darf niemals stillstehen.“ Da war für mich klar, dass wir den Prozess der kontinuierlichen Verbesserung unserer Produkte zum wichtigsten Wesenszug von Vitsœ machen würden. Können wir einen besseren Weg finden, die Originalentwürfe von Dieter Rams umzusetzen, sind wir dazu verpflichtet. Natürlich sind wir uns dabei bewusst, dass wir seine Prinzipien beibehalten müssen. Und glauben Sie mir, wir halten siehoch. Herr Adams, niemand würde vermuten, dass Sie eigentlich Biologe sind. Darwins Evolutionstheorie hatte es Ihnen während des Studiums besonders angetan. Wie kommt man von Darwin zum Möbel design? Es wird Sie sicher überraschen, dass die erste Ge- meinsamkeit, die Dieter Rams, Niels Vitsœ und ich entdeckt haben, die Nähe zur Natur war. Erstaunlich, 022nicht? Dieter sagte einmal, dass er eigentlich sehr gerne Landschaftsarchitekt geworden wäre. Na- türlich sind die Möbel, die wir anbieten, nicht aus Naturmaterialien gefertigt. Aber wir drei waren uns vollkommen einig darin, dass wir mit Vitsœ tatsäch- lich Evolution in ihrer reinsten Form leben: Anpas- sung an eine sich verändernde Welt. Die beständige Veränderung der Lebensumstände lockt uns fort- während aus der Reserve und treibt uns an, immer bessere Lösungen zu finden. Ohne Veränderung keine Herausforderung, keine Weiterentwicklung. Sie verstehen Ihre Produkte nicht einfach als Möbel, sondern als Programme. Ist das richtig? Ja, definitiv. Alle unsere Kunden, die schon einen Umzug mit Vitsœ Möbeln hinter sich haben, sind überzeugte Wiederholungstäter: Sie haben erlebt, wie flexibel und anpassungsfähig unsere modularen Systeme sind. Sie denken, Sie sitzen hier auf einem Sessel? Nein, Sie sitzen auf einem flexiblen Sitzsys- tem, dass sich an Ihre sich verändernde Lebenssi- tuation anpassen lässt. Als Sessel, als Zweisitzer, als Vielsitzer. Sie können die Armlehnen abnehmen oder neue hinzufügen, Sie können eine niedrige Rückenlehne wählen oder eine hohe einsetzen. Und wenn in 25 Jahren die Polsterung erneuert werden muss, können Sie das selbst machen, zuhause. Das alles hat Dieter Rams vor über 50 Jahren so vo- rausschauend durchdacht, dass seine Möbel heute noch immer hervorragend zu unseren Lebensum- ständen passen: Dabei war der Anspruch, Möbel zu gestalten, die sehr lange halten, in den Anfängen nicht wirklich einem grünen Gewissen geschuldet, sondern schlicht dem gesunden Menschenverstand. Der Begriff Möbelsysteme klingt nach Minima lismus. Muss man einen puristischen Lebensstil führen, wenn man sein Wohnzimmer mit Vitsœ einrichtet? Absolut nicht. Das wäre ein großes Missverständ- nis. Wir haben Kunden der unterschiedlichsten Backgrounds und Geschmäcker. Es gibt keinen „Vitsœ-Lifestyle“, dem man sich unterordnen müsste. Im Gegenteil. Unsere Systeme sind dazu gemacht, hinter der Persönlichkeit ihrer Nutzer zu verschwinden: Sie werden quasi unsichtbar und wirken im Hintergrund – einfach indem sie ihnen helfen, ihr Leben zu organisieren. Als Geschäftsmo- dell ist das eigentlich verrückt: Wir verkaufen etwas, das umso besser funktioniert, je unsichtbarer es ist. Wir ermutigen die Verbraucher, weniger zu kaufen, wenn mehr gerade nicht geht. Wir verkaufen etwas, 023das man mitnehmen kann, wenn man umzieht. Wir ermutigen dazu zu reparieren, statt neu zu kaufen. Versuchen Sie mal, mit diesem Konzept einen MBA in Betriebswirtschaft zu bekommen: No way! Wir machen es trotzdem, denn was wir dadurch zurück- bekommen, ist eigentlich der höchste Wert, den eine Firma erlangen kann: Vertrauen – von unseren Kunden, unseren Zulieferern, unseren Mitarbeitern. Es gibt keine Vitsœ Sales mit Rabattangeboten, es gibt keinen Vitsœ Discount. Denn man vertraut uns, wenn wir sagen: Das sind unsere fair kalkulier- ten Preise, und die müssen wir verlangen, damit wir unsere Arbeit machen können. Das gilt anders- herum natürlich auch in der Zusammenarbeit mit unseren Zulieferern. Am Ende bringt das für beide Über Vitsoe. Seit 1959 gestaltet und entwickelt Vitsœ langlebige Möbel mit dem Ziel, es besser, statt neuer zu machen. Mit weltweiter Ex- klusivlizenz für die originalen Möbelentwürfe von Dieter Rams, verkauft Vitsœ seine Systemmöbel direkt an Kunden in über 50Ländern. In München ist Vitsœ in der Türkenstraße 36 zu finden, gleich gegenüber dem Museum Brandhorst. www.vitsoe.com Seiten das beste Ergebnis – auch für unsere Kunden. Spannen wir den Bogen mal ganz weit: Die Werte, mit denen Vitsœ produziert, das Ethos, das Vitsœ im Kern bestimmt – sind sie ein Modell für die Rettung des Planeten? Das hört sich natürlich reichlich kühn an, aber wir sprachen vorhin schon davon: Der gesunde Men- schenverstand sagt uns doch, dass wir alle besser leben mit weniger, das aber länger hält. Dieter Rams wurde schon in den 1970ern für einen verantwortlichen Umgang mit Ressourcen sensibilisiert. Er sah sich als Desi- gner ganz selbstkritisch als Teil des Problems. Die einzig mögliche Lösung für ihn war das Konzept „weniger, aber besser“: Damit wandte er sich klar gegen die Ideologie des Wachstums um jeden Preis. Programmatisch schlug sich dieser Ansatz in seinen „Zehn Thesen für gutes Design“ nieder – nachzule- sen auf vitsoe.com. Diese grundlegenden Eckpunkte zur verantwortungsbewussten Gestaltung und Produktion sind das Ethos, dem Vitsœ unbedingt verpflichtet ist. Wie sehen Ihre Pläne für die Zukunft aus? Wir werden in nächster Zeit noch ein oder zwei Entwürfe von Dieter Rams realisieren – das wird uns den nötigen Schub für die Zukunft geben. Für die Zeit danach werden wir uns über Dieter Rams und über das Thema Möbel hinausbewegen. Denn wir sind unserem eigenen Grundsatz verpflichtet: Mehr Menschen die Möglichkeit zu geben, besser zu leben, mit weniger, das länger hält. Vielen Dank für das Gespräch. Interview Vitsœ | Mark Adams 024Die Färberei www.diefaerberei.de www.facebook.com/diefaerberei Claude-Lorrain-Straße 25 / Rgb. 81543 München T: +49(89)62269274 F: +49(89)62269285 diefaerberei@kjr-m.de Jugend-Kultur | Die Färberei 025Automobil-Kultur | Rolls-Royce 026Rolls-Royce Motor Cars www.rolls-roycemotorcars-muenchen.de Showroom Nymphenburger Straße 4 80335 München T: +49(89)224180 München. Der Rolls-Royce unter den Städten. München und Rolls-Royce sind enger verbunden als viele denken, denn hier hat Rolls-Royce Motor Cars Deutschland seinen Sitz. Natürlich lieben wir alle deutschen Städte gleichermaßen, denn immer mehr Menschen zwischen Hamburg, Berlin, Dresden, Köln und eben München fahren unsere Automobile – in diesem Jahr können wir sogar sagen, rekordverdäch- tig viele. Aber die Stadt an der Isar, die nördlichste Stadt Italiens, lieben wir vielleicht doch ein klein we- nig mehr. München schätzt die richtige Mischung aus Stil, kompromissloser Qualität und Opulenz. Wie wir. Die Stadt ist agil und kraftvoll dynamisch. Wie unsere Modelle Phantom, Ghost und Wraith. Die Münchner schätzen Schönheit und das Beson- dere. Wie unsere Kunden, die ihren Rolls-Royce im Rahmen unseres Bespoke Programms nach ihren Wünschen individualiseren können. Last not least ist München Heimat der BMW Group, zu der wir seit dem Jahr 2000 gehören. Das alles macht es uns leicht zu sagen: Munich, we love you. 027Schmuck-Kultur | Galerie Isabella Hund Galerie Isabella Hund gallery for contemporary jewellery www.isabellahund.de Frauenplatz 13 Eingang Schäfflerstraße 80331 München T: +49 (89) 29160717 028Foto: Susanne Jünger Gerd Rothmann „Familienkette“ Gold, 18 kt Fingerabdrücke von vier Personen aus dem Katalog „50 Halsketten“ 029Next >