Stiftung Buchkunst stellt vor | Juli
»Die Schönsten Deutschen Bücher« 2023
Perlmutt, Peach, Mint und cremiges Weiss sowie die raue Haptik des Buchschnitts erinnern an weite Sandstrände, Horizonte über dem Meer und Schaumkronen. Nun ist der Shell Reader aufgrund seines Formates nicht die beste Lektüre für das Urlaubshandgepäck aber definitiv eine Lektüre, die optisch und inhaltlich Vorfreude auf die frische Brise macht, die uns hoffentlich im Sommerurlaub erwartet. 300 Muschelschalen porträtiert das Buch, angelehnt an Installationen der schwedischen Bildhauerin Nina Canell und lässt erahnen, was es am Strand alles zu entdecken geben wird. Und wer gerade nur von Urlaub träumen kann, hat mit diesem Buch auf jeden Fall das Gefühl ganz nah dran zu sein, am Strand und Muschelschätzen unter den Füßen.
Nina Canell (Hg.) / Sally O Reilly / Giulia Rispoli
Shell Reader
BOM DIA BOA TARDE BOA NOITE, Berlin
Gestaltung: Robin Watkins
Druck / Bindung: Zwaan Lenoir, Wormerveer, Niederlande / Patist, Zaltbommel, Niederlande
Mehrere Tonnen Muschelstücke bedecken den Boden zwischen vier Wänden. Wer die Installation der schwedischen Bildhauerin Nina Canell betritt, erzeugt mit jedem Schritt ein Knirschen. Viele Schritte erzeugen einen rauschenden Klang.
Der „Shell Reader“ ergänzt diese Installation. Schweres Papier ergibt einen mächtigen Buchblock. Allerdings – und das ist so rar wie eine Perle – zeigt der dreiseitige, breite Buchschnitt Scharen heftiger Kratzspuren. Die Blattkanten sind angefräst, während Perlmutt im inneren Buchdeckel schimmert. Diese allegorischen Merkmale von Rauheit und Glanz umhüllen den Inhalt. Er zeigt die harten Schutzhüllen der weichen Meerestiere in Nahaufnahme. Man schaut auf die gut 300 ganzseitig präsentierten Schalenfragmente, als wären es Portraits.
Tatsächlich sind es skelettierte Mollusken, ehemalige Individuen, deren selbst gebaute, gewachsene Behausung man bestaunt wie ein antikes Artefakt. Die riesige Menge von Muschelschalen in der Kunstgalerie repräsentiert die noch riesigeren Mengen, die aus dem Meer gebaggert, zermahlen und als Kalklieferung der Betonindustrie zugeführt werden. Bereits vor 2000 Jahren hatten die Römer:innen Monumentalbauten in Beton gegossen. Das Abstrakte dieses Werkstoffes nimmt das Übernatürliche der modernen Plastikstoffe vorweg.
Zurück zur Installation: Die Wände werden wie eine Bauschalung mit Sprießen gestützt. Das Publikum betritt anstatt eines Estrichs dessen Rohstoff. Fußtritte verschmelzen zur Komposition einer archaischen Trauermusik. Nina Canell geht es um „eine körperliche Verbindung – von Knochen zu Knochen“.
Die 25 »Schönsten Deutschen Bücher« sind vorbildlich in Gestaltung, Konzeption und Verarbeitung. Die Auswahl berücksichtigt auch das leisere, solide gemachte Lesebuch. Die prämierten Bücher setzen Zeichen und zeigen wichtige Trends und Strömungen der deutschen Buchproduktion. In jeder der fünf Kategorien »Allgemeine Literatur«, »Wissenschaftliche Bücher/Fachbücher/Schul- und Lehrbücher«, »Ratgeber, Sachbücher«, »Kunstbücher, Fotobücher, Ausstellungskataloge« und »Kinderbücher, Jugendbücher« gibt es fünf Prämierte.
Seit 1966 begleitet die Stiftung Buchkunst mit Sitz in Frankfurt am Main und Leipzig kritisch die deutsche Buchproduktion. Ziel ist, die Qualität des Buches in technischer und künstlerischer Hinsicht zu fördern. Die Hauptaufgabe der Stiftung ist der Wettbewerb »Schönste Deutsche Bücher«. Mit ihren Wettbewerben will die Stiftung Buchkunst den Blick der Öffentlichkeit über den Inhalt hinaus auf buchgestalterische und buchherstellerische Spitzenleistungen lenken und damit dem Medium Buch und seiner Form zu mehr Aufmerksamkeit verhelfen. Zur Teilnahme zugelassen sind Bücher aus deutschen Verlagen sowie Bücher aus ausländischen Verlagen, sofern die technische Produktion ausschließlich in Deutschland erfolgte.
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