Die schönsten deutschen Bücher 2022
Die Zeit zurückdrehen geht nicht. Oder doch? Henning Wagenbreth hat es „aufgeschrieben nachts im Bett…“. In verschiedenen Szenarien malt er sich und den Lesenden aus, wie das Leben wäre – oder der Tod – wenn alles Rückwärts ablaufen würde. Das TROWROV – oder VORWORT – beginnt in blauer, grauer und schwarzer Farbe, die anschließenden Bilder werden dann bunter, jedoch stets mit begrenzter Palette. Nach der ersten Geschichte wird den Lesenden das Vokabular des Rückwärtslandes nähergebracht: „Wenn du in fremde Länder gehst, gib acht, dass du auch was verstehst. Ausland ist ganz wunderbar, kennst du da Vokabular.“ Das TROWHCAN (NACHWORT) schließt das Buch farblich passend zum Beginn ab und ermutigt die Lesenden, dass es jetzt Zeit wäre, wieder in die richtige Richtung weiterzuleben.
Henning Wagenbreth
Rückwärtsland
Peter Hammer Verlag, Wuppertal
Gestaltung / Illustration: Henning Wagenbreth
Herstellung: Peter Hammer Verlag / Magdalene Krumbeck
Druck: Memminger Mediencentrum, Memmingen
Buchbindung: Conzella Verlagsbuchbinderei, Pfarrkirchen
„Die Millionen tauscht er ein gegen einen Lottoschein. Legt den Zettel ins Regal und vergisst die Superzahl.“ Wer sagt denn, dass die Zeit nur eine Richtung hat? Das wäre es doch: einmal ein visuelles Experiment wagen, bei dem die Dinge, statt auf dem Kopf zu stehen, sich retrosukzessiv entwickeln. Im Blick zurück findet der Autor und Zeichner eine überbordende Quelle an Reimen, mit denen er sich ein sogenanntes Rückwärtsland ausmalt, sogar mit eigener Sprache (wer kennt sie nicht, die Fußballmannschaft „Sträwrov“?) Sie sind gesetzt in einer fetten Groteskschrift mit lebhaften Schwankungen der Strichstärke – eine gute Überleitung zu den Linienzeichnungen der zweispaltigen Bildsequenzen. Kompositionsprinzipien sind hier die Staffelung, die Verschachtelung und ein Horror Vacui. Demnach wird jede Fläche in Unterflächen gegliedert, die mit Strichelchen, Wellenlinien, Rautengittern, prismatischen Schraffuren und positiven oder negativen Punktierungen ausgefüllt wird, bis kein Winkel mehr übrig bleibt. Beliebt sind scharfkantige, spitze Ecken. Geradezu irrsinnig wird der Betrachter beim Genuss der Splash-Panels. Auf diesen ganzseitig angeschnittenen Panoramen kommt das poppige Kolorit zur vollen Geltung. Jede Parzelle ist eingefärbt. Dabei erhält jede Episode ihren eigenen Farbklang.
Was soll man nun davon halten? Die Neue Unübersichtlichkeit ist bereits ein paar Jahrzehnte alt, heute beherrschen die Narrative von Lügengeschichten das Lebensgefühl, aber hier endlich finden wir Trost: Das Absurde führt in eine heile Welt.
Die 25 »Schönsten Deutschen Bücher« sind vorbildlich in Gestaltung, Konzeption und Verarbeitung. Die Auswahl berücksichtigt auch das leisere, solide gemachte Lesebuch. Die prämierten Bücher setzen Zeichen und zeigen wichtige Trends und Strömungen der deutschen Buchproduktion. In jeder der fünf Kategorien »Allgemeine Literatur«, »Wissenschaftliche Bücher/Fachbücher/Schul- und Lehrbücher«, »Ratgeber, Sachbücher«, »Kunstbücher, Fotobücher, Ausstellungskataloge« und »Kinderbücher, Jugendbücher« gibt es fünf Prämierte.
Buchfotos: © Pixelgarten, Frankfurt am Main pixelgarten.com
Die Stiftung Buchkunst lädt aktuell zur Teilnahme an ihren beiden Wettbewerben »Die Schönsten Deutschen Bücher 2023« und »Förderpreis für junge Buchgestaltung 2023« ein.
Seit 1966 begleitet die Stiftung Buchkunst mit Sitz in Frankfurt am Main und Leipzig kritisch die deutsche Buchproduktion. Ziel ist, die Qualität des Buches in technischer und künstlerischer Hinsicht zu fördern. Die Hauptaufgabe der Stiftung ist der Wettbewerb »Schönste Deutsche Bücher«. Mit ihren Wettbewerben will die Stiftung Buchkunst den Blick der Öffentlichkeit über den Inhalt hinaus auf buchgestalterische und buchherstellerische Spitzenleistungen lenken und damit dem Medium Buch und seiner Form zu mehr Aufmerksamkeit verhelfen. Zur Teilnahme zugelassen sind Bücher aus deutschen Verlagen sowie Bücher aus ausländischen Verlagen, sofern die technische Produktion ausschließlich in Deutschland erfolgte.
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